zum Hauptinhalt

Politik: Stasi-Vergangenheit: Ströbele fragt sich: Können die Akten die Wahrheit sagen?

Dieser Tage bekam der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele von der Gauck-Behörde die Mitteilung, dass jemand seine Stasi-Akten eingesehen habe. Was die Rechercheure fanden, las Ströbele jetzt in der "Welt am Sonntag".

Dieser Tage bekam der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele von der Gauck-Behörde die Mitteilung, dass jemand seine Stasi-Akten eingesehen habe. Was die Rechercheure fanden, las Ströbele jetzt in der "Welt am Sonntag". Holen nach Außenminister Joschka Fischer, dessen Geschichte als militanter Frankfurter Straßenkämpfer seit Wochen die Gemüter bewegt, auch Ströbele Schatten der Vergangenheit ein? Immerhin soll er sich bei der Verteidigung von RAF-Terroristen Unterstützung durch das DDR-Regime besorgt haben.

"Völlig absurd" nennt der Grünen-Politiker das im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Er sieht einen Zusammenhang zwischen den Vorwürfen gegen Fischer und sich: "Man will das Thema am Kochen halten. Damit wird versucht, die Grünen und die Bundesregierung runterzuziehen." Ströbele weist den Vorwurf als abwegig zurück, ausgerechnet die DDR-Führung hätte ihn in den 70er Jahren unterstützt. Aber wie kommt das Protokoll eines DDR-Grenztruppen-Offiziers in die Akte, in dem der Soldat über ein Gespräch mit Ströbele vom 1. Januar 1974 berichtet? Es heißt dort unter anderem, Ströbeles "Meinung ist, dass jede bürgerliche Regierung, auch die der Bundesrepublik, nur durch eine Revolution beseitigt werden kann". Dazu sei jedes Mittel recht, auch Flugzeugentführung. Quatsch, sagt Ströbele. Damals, Silvester 1973, habe er mit Freunden vom Theater in Ost-Berlin gefeiert und sei zu spät zum Grenzübergang gekommen. Das gab immer Ärger. "Einem Grenzoffizier hätte ich so etwas als letztes erzählt", meint er. Seine Erklärung: Der Grenzer habe da schlicht "was Falsches aufgeschrieben". Außerdem fragt er, ob ausgerechnet ein Stasi-Protokoll Beleg für mangelnde demokratische Gesinnung sein soll?

Kontakte zum namhaften SED-Juristen Friedrich Karl Kaul bestätigt Ströbele: "Das ist zutreffend." Kaul war einer der wenigen Ost-Anwälte, die damals auch in der Bundesrepublik zugelassen waren und, so Ströbele, "ein wichtiger Experte über die NS-Justiz". Deswegen habe er ihn auch als Sachverständigen vorgeschlagen, als er dem Staatsanwalt im Meinhof-Prozess vorgeworfen hatte, in der Art des Präsidenten des NS-Volksgerichtshofs, Roland Freisler, zu argumentieren. Der Staatsanwalt hatte mit einer Strafanzeige reagiert. Um den Wahrheitsbeweis für seine These zu erbringen, habe er eben auch Kaul eingeschaltet, berichtet Ströbele.

Bleibt noch ein Brief der Anwaltskanzlei Eschen, Ströbele und Spangenberg, in dem am 20. Januar 1977 kurz vor dem Prozess um die Entführung des CDU-Landeschefs Peter Lorenz die Sowjetunion darauf aufmerksam gemacht wird, dass das bevorstehende Auftreten der Generalbundesanwaltschaft - nach sowjetischer Lesart - gegen das Vier-Mächte-Abkommen verstoße. "In dem Prozess war ich weder Verteidiger, noch habe ich den Brief unterschrieben", sagt Ströbele dazu.

Carsten Germis

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false