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Steuerreform: Zwei Jahre zum Überlegen

Die schwarz-gelbe Koalition gibt sich immer mehr Zeit für ihre Steuerreform. "Der Koalitionsvertrag gilt", sagt Schäuble, die Abmachung sei aber auch erfüllt, wenn die schwarz-gelbe Regierung in dieser Wahlperiode gar keine Steuern mehr senke.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Hans Monath

Die Union hatte recht kühl darauf reagiert, als die FDP vor kurzem ihr Steuerreformkonzept eindampfte. Noch am Montag erschien im „Spiegel“ ein Interview des Finanzministers, in dem Wolfgang Schäuble (CDU) sogar Tiefgekühltes zum Thema beisteuerte: „Der Koalitionsvertrag gilt“, gab Schäuble zu Protokoll, pflichtete aber gerne dem Fragesteller bei, dass die Abmachung auch erfüllt wäre, wenn die schwarz-gelbe Regierung in dieser Wahlperiode gar keine Steuern mehr senkt: „Das ist jedenfalls kein Widerspruch, schließlich gibt es in dem Vertrag einen Finanzierungsvorbehalt.“ Das klang wie die Einladung zum nächsten Steuerstreit. Der ist so ungefähr das Letzte, was selbst die CDU und ihre Kanzlerin drei Wochen vor der Landtagswahl in NRW sich antun möchten. Am Montag macht sich Kanzleramtsminister Ronald Pofalla auf, weiterem Zank auf lange Sicht die Basis zu entziehen: „Wir haben jetzt hinreichend Zeit, über einen Zeitraum von fast zwei Jahren genau zu überlegen, wie diese Steuerreform aussieht“, verkündet er im ZDF.

Das ergibt sich zwar eigentlich logisch daraus, dass die FDP in ihrem Leitantrag für den Parteitag am Wochenende das Datum 2011 nicht nennt – nicht einmal 2012, sondern gar keinen konkreten Termin. Als „ganz wichtigen Schritt“ des Koalitionspartners wertet Angela Merkels Amtschef das. Gleichwohl stellt Pofallas Lesart alle bisherigen Erwartungen und Pläne auf den Kopf.

„Nach der Steuerschätzung und im Lichte der Wirtschaftsentwicklung“ – mit dieser Formel für die Konkretisierung der Steuerpläne hatten die drei Parteichefs der Koalition im Januar die erste Welle des Steuerzanks zu brechen versucht. Die Steuerschätzung kommt am 6. Mai – und wird, wie aus dem Kreis der Experten schon jetzt zu erfahren ist, weder im Guten noch im Schlechten wesentlich neue Erkenntnisse erbringen. Die neueste Prognose für die Konjunktur legt das Kabinett am Mittwoch vor – sie enthält mit jeweils um die 1,5 Prozent Wachstum in diesem und im nächsten Jahr ebenfalls keine Überraschungen.

So war allgemein erwartet und die Erwartung genährt worden, dass jetzt bald, zumindest nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl am 9. Mai, Genaueres über die Umsetzung von Guido Westerwelles Wahlkampfschlager „niedrig, einfach und gerecht“ zu erfahren sein würde. Zumal die Koalition die Entscheidung über weitere kostenträchtige Vorhaben wie Zusatzausgaben für die Bildung erst fällen wollte, wenn klar sein würde, wie viel Geld für die Steuerentlastung übrig bleibt. CSU-Chef Horst Seehofer und CDU-Länderchefs haben sich sogar für eine Prioritätenliste stark gemacht, was allgemein als Versuch verstanden wurde, die Steuersenkung hinter Bildungsrepublik und Haushaltssanierung auf Platz drei der vordringlichen Projekte zu verbannen.

Setzt sich das Verfahren Pofalla durch, ist all dieser Streit vorerst obsolet. Auch könnte es der FDP entgegenkommen, wenn über ihre Steuersenkungspläne tatsächlich erst zu einem Zeitpunkt entschieden wird, an dem die Konjunkturaussichten vielleicht wieder besser und die Spielräume etwas größer sind. Andererseits wirkt der neue Zeitplan wie die Verschiebung auf Sankt Nimmerlein. Was, versichert Pofalla umgehend, niemand wolle: Der Koalitionsvertrag gelte, und: Es werde Steuerentlastungen geben.

Ein Punkt, auf den FDP-Generalsekretär Christian Lindner ebenso Wert legt. Auch das Entlastungsvolumen von insgesamt 24 Milliarden Euro sei „nicht der Gegenstand von Verhandlungen, sondern bereits das Ergebnis von Verhandlungen". Bei den 16 Milliarden, die nach neuester FDP-Rechnung noch offen sind, müsse es bleiben. „Jeder wusste, das umzusetzen, setzt Courage voraus“, sagt der FDP-General. „Und diese Courage und Standfestigkeit erwarten wir jetzt auch.“

Das klingt markig. Tatsächlich hat sich die FDP aber darauf eingestellt, dass die Umsetzung ihres Wunschprojekts auf die längere Bank kommt. Lindner mochte in Schäubles Interview denn auch partout nichts Böses hineinlesen. Sein Wunsch fiel viel bescheidener aus: „Es muss sichergestellt sein, dass wir 2011 noch mögliche Steuervereinfachungen beschließen können.“ Paragraphen statt Prozentsätze streichen – wenigstens das „einfach“ kann die FDP dann schon mal für sich verbuchen.

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