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Politik: Stimme und Stimmung: Der Bericht der Wehrbeauftragten (Kommentar)

Seit Jahrzehnten gibt es in der Bundeswehr die weltweit einmalige Einrichtung eines Wehrbeauftragten - und immer noch muss er in seinem Bericht Jahr für Jahr Exzesse von Vorgesetzten gegen Untergebene oder von Soldaten gegen Minderheiten brandmarken. Zum Militär gehören diese Kommiss-Unarten wie die Uniform.

Seit Jahrzehnten gibt es in der Bundeswehr die weltweit einmalige Einrichtung eines Wehrbeauftragten - und immer noch muss er in seinem Bericht Jahr für Jahr Exzesse von Vorgesetzten gegen Untergebene oder von Soldaten gegen Minderheiten brandmarken. Zum Militär gehören diese Kommiss-Unarten wie die Uniform. Der Institution des Wehrbeauftragten ist es zu verdanken, dass sie in der Bundeswehr eine im internationalen Vergleich geringe Rolle spielen. Vieles, was hierzulande als Disziplinarverstoß eines Vorgesetzten gilt, ist bei den Marines in den USA normale Ausbildungspraxis. Ganz zu schweigen von der russischen Armee.

Der Wehrbeauftragte wacht gewissermaßen über die Einhaltung der Menschenrechte in der Armee. Und noch mehr. Er ist auch eine Art Seismograph für die aktuelle Stimmung in der Truppe. Die könnte besser sein. Das ist schon seit Jahren so. Weil der Wehrbeauftragte dieser Stimmung eine offizielle Stimme verleiht, ist er beim zuständigen Minister nie nur beliebt. Dies war der Grund, warum die CDU/CSU seinerzeit die als ziemlich brav geltende Hinterbänklerin Claire Marienfeld mit dem Amt betraute. Aber Ämter entwickeln ihre eigene Dynamik. Daher war Volker Rühe nie ganz glücklich mit seiner Parteifreundin. Und er hätte ihr nicht weniger widersprochen als es nun sein sozialdemokratischer Nachfolger Rudolf Scharping tut. Die Wehrbeauftragte sagt: Die Stimmung ist schlecht. Der Minister: Die Stimmung ist gut. Business as usual.

Scharping hat im übrigen das gleiche Problem wie sein Vorgänger: zu wenig Geld für eine zu große Truppe. Die Truppe hat das gleiche Problem mit wechselnden Ministern: Unsicherheit über ihre Zukunft. Scharping hat versprochen, das solle anders werden. Wie sein Vorgänger. Ob er sein Wort hält - das werden wir sehen. Nach dem Bericht einer Wehrstrukturkommission im Mai soll die Bundeswehr reformiert, sollen Ziele und Mittel, Mittel und Ziele einander angepasst werden. Das kann nur heißen: Die Truppe muss nicht nur kleiner, sie muss anders werden. Die Stimmung wird das nicht automatisch heben. Genug Arbeit also für den nächsten Wehrbeauftragten. Auch der Sozialdemokrat Wilfried Penner wird seinem Genossen Minister kaum nur Freude machen. Von einer radikalen Reform darf dies Scharping jedoch nicht abhalten.

Thomas Kröter

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