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Deutschland und Frankreich konnten sich im Rüstungsprojekt „Future Combat Air System“ einigen.

© Foto: DPA/ Bernd Wüstneck

Streit um Kampfjet-Bau beendet: Freie Bahn für Europas größtes Rüstungsprojekt?

Nach einjähriger Funkstille geben Berlin und Paris dem Flugzeugplan grünes Licht. Jetzt streiten sich die Rüstungskonzerne Airbus und Dassault.

Von Niklas Mönch

Von einer „Einigung“ war die Rede, von einem „großartigen Schritt“, ja sogar von einem „wichtigen Zeichen der exzellenten deutsch-französisch-spanischen Zusammenarbeit“. Mit diesen Worten zitierte das Bundesverteidigungsministerium seine Chefin Christine Lambrecht (SPD) am Montagabend.

Nach über einem Jahr Stillstand kam beim deutsch-französischen Rüstungsprojekt Future Air Combat System (FCAS) nun endlich der langersehnte Durchbruch, jubelten einige Beobachter. Das Luftkampfsystem FCAS gilt als Zukunft der Luftwaffe und soll ab 2040 einsatzfähig sein. Geplant ist ein vernetztes System aus bemanntem Kampfflugzeug und unbemannten Drohnen, bisherige Kampfflugzeuge wie der Eurofighter werden damit teilweise ersetzt,

Die Industrie zieht nicht mit

In Paris schien man vom Deutschen Vorpreschen ein wenig überrascht worden zu sein. Hastig teilte der Élysée-Palast in einem Communiqué mit, dass für die weitere Entwicklung des milliardenschweren Luftkampfsystems in der Tat eine politische Lösung gefunden worden sei, doch eine Einigung seitens der Industrie noch ausstehe. „Exzellente Zusammenarbeit“ sieht anders aus.

Um zu verstehen, welche Tragweite das Projekt hat, muss man einige Jahre zurückgehen. 2017 kündigten Emmanuel Macron und Angela Merkel gemeinsam an, auch als Antwort auf den Brexit, Europas nächsten Kampfjet entwickeln zu wollen. Ein intelligentes Waffensystem als Nachfolger für den britisch-deutsch-italienisch-spanischen Eurofighter und den französischen Rafale.

Die Regierungen wollen enger zusammenarbeiten, aber die Industrie zieht nicht so recht mit.

Jacob Ross, Experte für deutsch-französische Sicherheitspolitik

Es soll aber auch eine europäische Antwort auf die Konkurrenz aus Südkorea oder den USA sein und zugleich ein Warnsignal an Russland und China senden. Gerade in „Zeiten wie diesen“, wie Christine Lambrecht floskelt, ein legitimes Vorhaben.

Ab 2040 sollen die neuen Kampfjets dann serienmäßig gebaut werden. „Doch wenn es weiterhin so schleppend läuft wie jetzt, ist das nicht erreichbar“, meint Jacob Ross, Experte für deutsch-französische Sicherheitspolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Vorsichtshalber hängen die Planer heute lieber ein „bis 2050“ an den ursprünglichen Zeitplan.

Die Regierung ist willig, doch die Industrie zögert

Schließlich stocken die Verhandlungen bereits. „Die Regierungen wollen enger zusammenarbeiten, aber die Industrie zieht nicht so recht mit“, erklärt Ross. Frankreich hat die Technik, Deutschland und Spanien bringen das fehlende Geld.

Die Kosten für den Prototyp, 3,6 Milliarden Euro, tragen jeweils zu einem Drittel die Länder. Auch die Verantwortungsbereiche sollten gleichmäßig vergeben werden. Doch das französische Rüstungsunternehmen Dassault fühlt sich benachteiligt.

In der Tat würden nicht wie ursprünglich geplant Dassault und die deutsche Airbus Defence, sondern auch noch Airbus Spanien sich die Aufgaben teilen.

Kooperation auf Augenhöhe

Somit fielen zwei Drittel an den europäischen Flugzeughersteller Airbus. Während Dassault in seiner Kernkompetenz, dem Kampfjet, die Führung übernehmen will, möchte Deutschland eine Kooperation auf Augenhöhe. Doch Dassault ist nicht bereit, sich in die Karten gucken zu lassen.

Hinzu kommen die verschiedene Anforderungen an den Hightech-Jet, unter anderem beim Thema Atomwaffen. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Selbst wenn hier noch ein Kompromiss gefunden wird, es gibt schon neue Probleme.

3,6
Milliarden Euro kostet der Prototyp des Kampfjets.

Denn mit dem britisch-schwedisch-italienischen Projekt Tempest ist ein direkter Konkurrent in der Planung schon weitaus fortgeschrittener. In London geht man davon aus, schon ab 2035, vielleicht sogar etwas früher, liefern zu können.

„Wenn das europäische FCAS erst fünf bis fünfzehn Jahre später anläuft, wäre der Markt, und damit die Absatzmärkte zur Refinanzierung, schon gesättigt“, warnt Jacob Ross.

Großbritannien gibt den Weg vor

Außerdem ist Tempest kein explizit politisches Projekt, sondern in erster Linie ein technologisches. „Während Frankreich und Deutschland sich um die Führungsrolle zanken, ist das bei Tempest ganz klar geregelt. Großbritannien gibt den Weg vor”, analysiert Gesine Weber, Expertin für europäische Verteidigungspolitik beim German Marshall Fund in Paris.

Wenn es weiterhin so schleppend läuft wie jetzt, ist das Ziel nicht erreichbar.

Jacob Ross, Experte für deutsch-französische Sicherheitspolitik

Ein weiterer Risikofaktor ist die politische Lage in Frankreich. Die rechtsextreme Marine Le Pen ist zwar bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen auf „nur“ 41 Prozent gekommen, doch 2017 waren es noch 34 Prozent. Schon jetzt versucht ihre Partei, der Rassemblement National, im Verteidigungsausschuss Duftmarken zusetzen.

Wenn es nach ihnen ginge, würde man dem Rüstungsprojekt komplett die Mittel streichen. Noch haben sie dafür keine Mehrheit. Doch mit Macrons fehlendem Gespür für die Stimmung im Volk, ist auch das kein Ding der Unmöglichkeit mehr.

Ob die französische Premierministerin Élisabeth Borne und der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei ihrem Treffen am Freitag in Berlin eine Einigung vermelden können, die diesen Namen auch verdient? „Schauen wir mal“, lachte Éric Trappier, Geschäftsführer von Dassault, diese Woche beim französischen Radiosender RTL. Wie der französische Poet Jules Jouy weiß auch Trappier: „Avant l’heure, c’est pas l’heure“. Frei übersetzt heißt das: Noch ist nichts entschieden.

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