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Heyes Reisewarnung: Streit um Tabu-Zonen reißt nicht ab

Ob kalkulierter Eklat oder unbedachter Ausrutscher - Uwe-Karsten Heye hat mit seiner Warnung vor bestimmten Gebieten in "Brandenburg und anderswo" in ein Wespennest gestochen.

Potsdam - Auch drei Tage nach dem Interview des ehemaligen Regierungssprechers häufen sich empörte und zustimmende Reaktionen zu der Reisewarnung an dunkelhäutige WM-Touristen. Zwei Fragen beherrschen die Debatte: Gibt es - wie Heye sagt - besonders in Ostdeutschland «No-Go-Areas», also Tabu-Zonen für Ausländer? Und hat Heyes schonungslose Aussage seinem berechtigten Anliegen geschadet oder genützt?

Für die Betroffenen gibt es keinen Zweifel: Als Schwarzer fährt man nicht in bestimmte Gegenden, schon gar nicht mit seiner Familie oder nachts. «Jedermann weiß das. Der Skandal ist, dass man eine Binsenwahrheit nicht aussprechen darf», sagt die Vorsitzende der Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane. Ähnlich äußern sich Verbände für Opfer rechter Gewalt. Und der Afrika-Rat - Dachverband von 25 Vereinen in Berlin - will in der nächsten Woche seinen Katalog mit Vorsichtsmaßnahmen für dunkelhäutige WM- Besucher vorstellen.

All das trifft auf Empörung bei der brandenburgischen Regierung. Es sei abwegig, wenn Heye von lebensgefährlichen Orten für Ausländer im Land spricht, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Und sein Innenminister Jörg Schönbohm vom Koalitionspartner CDU wies dies als «unglaubliche Entgleisung» zurück. Seitdem verweigern beide jede Stellungnahme dazu. Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält Heyes Reisewarnung - sonst Angelegenheit des Auswärtigen Amtes für Länder wie den Irak, Afghanistan oder Kongo - für «verkürzt».

Zehnfach höheres Risiko

Der Ländervergleich im Verfassungsschutzbericht 2004 scheint eindeutig: Brandenburg steht an der Spitze rechtsextremistischer Gewalttaten bezogen auf die Einwohnerzahl. Das Risiko, hier Opfer einer rechtsextremistischen Gewalttat zu werden, ist etwa zehn Mal höher als in Hessen oder Rheinland-Pfalz.

Der Kampf um die Deutungshoheit - gibt es solche Tabu-Zonen oder Angsträume? - wogt seit Jahren in Brandenburg. Seitdem in den 90er Jahren rechtsextremistische Gruppen «National befreite Zonen» ausriefen, bestreitet die Landesregierung, dass so etwas existiert.

Der aktuelle Verfassungsschutzbericht des Landes erwähnt - vorsichtig umschrieben - «rechte» Jugendcliquen, deren «demonstratives Revierverhalten» auf manchen öffentlichen Plätzen zu bestimmten Zeiten die Bürger verängstige. Ihr Erscheinungsbild entspreche dem «Klischee rechtsextremistischer bzw. fremdenfeindlicher» Gruppen. Deren Gewalt «richtet sich gegen alles "Fremdartige", seien es Ausländer, dunkelhäutige Deutsche oder "Zecken", ein in der rechtsextremistischen Szene alltäglicher Begriff zur Beschreibung von "linken" Jugendlichen».

"Dinge beim Namen nennen"

Heye selbst warnt vor Verharmlosungen. Der Kampf gegen Rechts sei Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft. Diese bestehe aber auch aus Politikern, «die nichts lieber tun, als jeden Vorfall zu bagatellisieren, klein zu reden und zurückzuweisen, dass es sich überhaupt um einen Vorfall mit rassistischem Hintergrund handelt». Der Satz ist als unverhohlene Anspielung auf Schönbohm zu verstehen. Der hatte nach dem Überfall auf einen dunkelhäutigen Deutschen in Potsdam vom Ostersonntag mehrmals einen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat bezweifelt und Generalbundesanwalt Kay Nehm attackiert, weil dieser den Fall umgehend an sich gezogen hatte.

Auch bei der zweiten Frage teilen sich die Antworten in zwei Lager. Kritiker werfen Heye als Vorsitzendem des Berliner Vereins «Gesicht zeigen!» vor, er spiele damit den Rechtsextremisten in die Hände. Der Potsdamer Politikwissenschaftler Bernhard Muszynski plädiert dagegen ebenso wie Opferverbände oder die Grünen dafür, die Dinge beim Namen zu nennen, statt die statistisch nachgewiesene höhere Gefährdung der Ausländer «herunterzureden». (Von Matthias Benirschke, dpa)

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