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Politik: Suche nach dem Dunkelmann

Niemand will es gewesen sein. Woher das Gerücht stammt, die SPD wolle auf Neuwahlen verzichten und Müntefering zum Kanzler machen, bleibt unklar. War es jemand aus der Opposition? Oder ein "Heckenschütze" aus den eigenen Reihen? Motive und Personen gibt es genug. (07.06.2005, 15:11 Uhr)

Berlin - Zehn Worte waren Klaus Uwe Benneter die angebliche Neuigkeit wert. "Die Meldung ist erstunken und erlogen. Sie entbehrt jeder Grundlage", dementierte der SPD-Generalsekretär. Unter Berufung auf ein namentlich nicht genanntes SPD-Führungsmitglied wurde gemeldet, Bundeskanzler Gerhard Schröder wolle zurücktreten und solle durch den SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering ersetzt werden. Der Ablauf dieses "ernsthaften Szenarios" sei bereits im SPD-Vorstand "detailliert besprochen" worden.

Daran kann sich allerdings niemand erinnern. Auch die Vorstandsmitglieder, die mit der Neuwahl-Entscheidung und Schröders Kurs partout nicht einverstanden sind, winken heftig ab. Weder bei der Sitzung am Montag noch bei früheren Treffen sei auch nur andeutungsweise ein solcher "Plan Münte" zur Sprache gekommen. Angesichts der Größe des Gremiums mit mehr als 40 Mitgliedern und wegen der schon als notorisch geltenden Geschwätzigkeit einiger Vorständler wäre dies kaum unter der Decke geblieben.

Aber dass die Parteiführung zu dem jüngsten Gerücht überhaupt Stellung nahm, zeigt die grassierende Nervosität im SPD-Lager. Fast täglich wird man dort und im Kanzleramt mit ständig neuen Spekulationen konfrontiert, die immer wieder wohl auch mit Methode in die Welt gesetzt werden.

Dass dahinter nicht nur immer die "Desinformations-Abteilungen" des politischen Gegners, sondern gelegentlich auch interessierte "Heckenschützen" aus den eigenen Reihen stecken, davon wird auch in der SPD-Führung ausgegangen. Spätestens, seit ein immer noch unbekannter "Dunkelmann" aus den eigenen Reihen SPD- Ministerpräsidentin Heide Simonis in Kiel zu Fall brachte, gilt bei den Sozialdemokraten vieles als nicht mehr unmöglich.

Motive, um gegen die eigene Partei Intrigen zu spinnen oder auch offen Front zu machen, gibt es in der derzeit aufgeheizten Lage reichlich: Vielfach werden alte Rechnungen aufgemacht, auch verletzte Eitelkeiten spielen dabei eine Rolle. Andere reiben sich an der SPD, weil sie in ihrem Wahlkreis oder auf der Landesliste nicht mehr zum Zuge kommen.

Aus Sicht der SPD-Spitze ist eine solche unkontrollierte Entwicklung auch deshalb Besorgnis erregend, weil sie nicht selten eine gewisse Eigendynamik erhält. Die Gefahr wird durchaus gesehen, dass der Kanzler, entnervt durch anonyme Querschüsse oder ständig neue Gerüchte, die von einigen Medien ungeprüft transportiert werden, schließlich doch noch für sich die Reißleine ziehen könnte und erklärt: Das war es dann.

Zu den "Kronzeugen", die neuerdings offen gegen den eigenen Laden Stimmung machen, gehört etwa der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Christoph Zöpel. Im Vorstand sorgte Zöpel am Montag mit einem längeren Beitrag erneut für viel Kopfschütteln, als er Außenminister Joschka Fischer (Grüne) vorhielt, dieser habe das Auswärtige Amt nicht im Griff. Fast immer zur Stelle ist auch der brandenburgische SPD-Parlamentarier Stephan Hilsberg, um sich mit Kritik an der eigenen Partei ins Gespräch zu bringen. Am Dienstag kündigte Hilsberg nun im Alleingang an, die SPD-Fraktion werde künftig "mehr von ihrem Veto Gebrauch machen". Er lieferte damit wohl eher ungewollt dem Kanzler einen Grund mehr, um Bundespräsident Horst Köhler von der Notwendigkeit zu überzeugen, den Bundestag vorzeitig aufzulösen. (Von Joachim Schucht, dpa)

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