zum Hauptinhalt
Kosovo

© ddp

Südosteuropa: Unabhängiger Kosovo - und dann?

Die Verhandlungen über die Zukunft des Kosovo sind gescheitert. Experten rechnen damit, dass sich die albanische Führung in den nächsten Wochen gegen den Willen der Serben unabhängig erklärt. Droht dann wieder ein Krieg mitten in Europa?

Mit der Frist für eine Verhandlungslösung über die Zukunft des Kosovo endet auch die Mission der Vermittler-Troika. USA, EU und Russland sollten eine Annäherung zwischen Serben und Kosovo-Albanern herbeiführen. Der Kosovo, faktische Provinz Serbiens und besonders seit dem Zusammenbruch des Vielvölkerstaates Jugoslawien ab 1991 der Zankapfel Südosteuropas. Größtes Problem: die verschiedenen Ethnien in der Region. In der Mehrheit wird der Kosovo von Albanern bewohnt. Sie fordern die Unabhängigkeit des Kosovos von Serbien. Unterstützung erhalten sie dabei von den USA und den meisten EU-Staaten. Mit Vehemenz wehrt sich Serbien gegen die Bestrebungen und weiß dabei Russland an seiner Seite.

Heute treffen sich die EU-Außenminister in Brüssel, um über ihr weiteres Vorgehen zu beraten. EU-Chefdiplomat Javier Solana sagte bereits bei seinem Eintreffen zu dem Außenrat, dass sich eine "gemeinsame Position" aller 27 Mitgliedstaaten abzeichne. Wolfgang Ischinger, der deutsche Vertreter der EU in der Kosovo-Troika, sagte am Rande des Treffens: "Ich sehe einen sehr intensiven Diskussionsprozess zwischen der EU und der Führung des Kosovo, der stattfinden muss, bevor sowohl in Brüssel als auch in Pristina Entscheidungen getroffen werden können".

Bei bisherigen den Verhandlungen zwischen Serben und Kosovo-Albanern hatte niemand wirklich mit einer Lösung gerechnet - zu unterschiedlich sind die Positionen. Serbien beruft sich wie Russland auf die UN-Resolution 1244 aus dem Jahr 1999. Dort steht es schwarz auf weiß: Zwar steht der Kosovo unter UN-Protektorat, de facto ist die Provinz aber immer noch ein Teil Serbiens. Und das wissen auch die Kosovo-Albaner. Wenn der Schwebezustand beendet werden soll, müssen sie selbst aktiv werden.

Zypern, Slowakei und Griechenland zögern

"Nun werden einige Tage oder Wochen ins Land gehen", vermutet Rainer Stinner, Südosteuropa-Experte der FDP, "und dann werden sich die Kosovaren für unabhängig erklären. Vielleicht geschieht das erst im Januar, denn sie wissen: Die Zeit läuft für sie." Dragoslav Dedovic, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Belgrad, bestätigt dies "Tagesspiegel.de": "Ende Februar, Anfang März wird der Kosovo unabhängig sein - wenn auch nicht auf einer völkerrechtlich sauberen Grundlage, da Russland eine entsprechende Resolution im Sicherheitsrat ablehnt".

Denn Russland steht fest an der Seite Serbiens und wird von seinem Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat Gebrauch machen, sollten die Vereinten Nationen eine Lösung in Betracht ziehen, die in irgendeiner Weise Serbiens Interessen zuwider laufen könnte: "Die Russen werden wahrscheinlich nichts akzeptieren, was Belgrad nicht akzeptiert", so Dedovic.

Rückendeckung bekäme die Führung in Pristina jedoch von den USA, die auch bei den Partnern für eine schnelle Anerkennung des Kosovo werben. Die meisten Staaten der Europäischen Union haben sich ebenfalls für eine Anerkennung ausgesprochen. Nur Zypern, die Slowakei und Griechenland zögern noch.

Kosovo
Internationale Verhandlungen sind gescheitert, die Kosovaren wollen sich von Serbien unabhängig erklären. Wie sieht die Zukunft auf dem Balkan aus? -

© dpa

Sollte sich der Kosovo unabhängig erklären, steht die Region vor neuen Problemen - eine Grenzziehung zwischen Serbien und dem Kosovo würde zahlreiche Minderheiten von ihren Landsleuten trennen. Wenn auch sie den Anschluss an Serbien nicht verlieren wollen, drohen Flüchtlingsströme und Umsiedlungen. Ebenfalls ungeklärt ist, wie sich die albanischen Minderheiten verhalten, die im Kernland Serbien verbleiben.

Russland befürchtet Präzedenzfall

"Eine größere militärische Auseinandersetzung ist eher unwahrscheinlich. Doch in Teilen der Region könnten Guerilleros auftreten, Menschen würden mit dem Leben bezahlen", prognostiziert Dedovic. Abhängig sei das vor allem von der Frage, "inwieweit Moskau Serbien ermutigen wird." Denn Russland befürchtet durch die Unabhängigkeit des Kosovo einen Präzedenzfall, der für seine eigenen problematischen Regionen als Vorbild dienen könnte.

Unklar ist, wie sich Serbien im Falle einer Unabhängigkeitserklärung verhalten wird. So versicherte der serbische Vizepremier Bozidar Djelic laut Zeitungsberichten, Belgrad werde auf gar keinen Fall Gewalt einsetzen. Auch der serbische Verteidigungsminister Dragan Dutanovac bekräftigte im Interview mit der "Taz": "Wir hätten verschiedene Möglichkeiten zu reagieren, angefangen von Hilfe für die Zivilbevölkerung bis zu einem Einsatz der bewaffneten Macht. Ich persönlich bin allerdings davon überzeugt, dass es zu keinem so finsteren Szenario kommen wird."

In Belgrad kursieren, so Dedovic, unterdessen weitere Spekulationen darüber, wie Serbien die Kosovo-Albaner unter Druck setzen könnte. Die mögliche Einstellung der Wasserzufuhr für ein großes Kohlekraftwerk im albanischen Teil des Kosovo ist nur eine davon. Gerüchte gibt es auch über die wahren Absichten der USA und ihrer Verbündeten sowie über "russische Raketen" im Grenzgebiet zu Bosnien.

Serbische Verschwörungstheorien

Erhard Busek, Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa sieht darin ein Problem, aber auch eine Chance. Auf kosovarischer Seite könnten sich "die Bemühungen verstärken, auf eigenen Füßen zu stehen", sagte er dem "Tagesspiegel". "Durch eine Blockade würden die Serben eine stärkere internationale Gegenbewegung erzeugen, für das Überleben der Menschen im Kosovo zu sorgen."

Einige Radikale sprechen von einer Verschwörung gegen Serbien, denn der Kosovo mache immerhin 15 Prozent des serbischen Territoriums aus. Selbst Vojislav Kostunica, serbischer Regierungschef soll sich diese Meinung zu Eigen gemacht haben: "Jetzt ist klar, warum die Nato damals die Aggressionen und die Bombardierung gegen unser Land durchgeführt hat."

Mit Gewalt hatten bisher nur die radikalen Parteien Serbiens gedroht. Ganz anders äußerte sich nun Aleksandar Simic, Berater Kostunicas: "In jedem Fall werden die Staatsinteressen auch mit Krieg verteidigt." "Damit wurde ein Tabu gebrochen", so Dedovic. Aber das bedeute nicht, "dass Serbien in der Lage ist, Krieg zu führen. Es sei denn, es wollte Harakiri begehen."

Nicole Messmer, Marie Preuss

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false