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Südwest-SPD: Jörg Tauss reißt eine Lücke auf der Liste

Mit Macht hat die Südwest-SPD darauf gedrängt, dass Jörg Tauss nicht mehr für den Bundestag kandidiert. Gegen den Abgeordneten wird derzeit wegen des Besitzes von Kinderpornographie ermittelt. Doch nun hat auch seine Partei ein Problem.

Von Matthias Meisner

Am Mittwoch vergangener Woche war für Jörg Tauss die Welt noch einmal fast in Ordnung. Gemeinsam mit Dutzenden anderen SPD-Politikern erschien der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete, gegen den wegen des Besitzes von Kinderpornographie ermittelt wird, zum Foto-Shooting im Berliner Willy-Brandt-Haus. Es ging um die Reklame zur Bundestagswahl. Einen Tag später war klar: Der Druck aus der eigenen Partei ist so groß, dass Tauss bei dieser Wahl nicht mehr antreten wird. Unter dem Hinweis auf „Mobbing“ der eigenen Genossen gab Tauss auf.

Am Montag klagte er in der „Bild“-Zeitung über Abgeordnete, „die jetzt plötzlich woanders hingucken, wenn ich vorbeilaufe“. Selbst ein „glatter Freispruch“ würde nichts mehr an seinem beschädigten Ruf ändern. „Sicher werde ich für einige immer der Kinderporno-Politiker“ bleiben. Mit Spannung erwarten seine Kollegen nun den 23. Mai, den Tag der Bundesversammlung. Damit SPD-Bewerberin Gesine Schwan überhaupt eine Chance auf das Bundespräsidentenamt hat, kommt es auf jede Stimme an – auch auf die von Tauss, der dann noch Abgeordneter ist.

Einen neuen Job will sich der 55-Jährige suchen, „zum Beispiel in der IT-Branche“, wie er sagte. Möglicherweise wird ihm auch die IG Metall ein Angebot machen müssen. Sie hat das Arbeitsverhältnis von Tauss vor 15 Jahren nicht gekündigt, sondern nur ruhen lassen. Zuletzt hatte er für die Gewerkschaft als Pressesprecher in Baden-Württemberg gedient. Die IG Metall will sich zu dem Fall jedoch erst äußern, wenn die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abgeschlossen sind. Kommt es zu einer Verurteilung, ist eine Geldstrafe oder sogar eine Haftstrafe möglich. Tauss hatte den Besitz der Pornos bereits eingeräumt, meint aber, er sei als Abgeordneter dazu befugt gewesen.

Die Südwest-SPD ist derweil mit der Frage beschäftigt, wie mit dem Rückzug von Tauss korrekt umzugehen ist. Auf den Internetseiten der Partei wurde der Bewerber von der Kandidatenliste, auf der er den aussichtsreichen Platz sieben hatte, bereits getilgt. Dem Wahlrecht hat die SPD damit aber noch nicht Genüge getan. Denn laut Landeswahlleiterin Christiane Friedrich gibt es kein automatisches „Aufrutschen“ der folgenden Bewerber – schon gar nicht, wenn ein Kandidat, wie Tauss, die Zustimmungserklärung zu seiner Kandidatur schon erteilt hat. Wollte die SPD also alles richtig machen, müsste sie einen neuen Landesparteitag einberufen. Denkbar wäre auch, dass Tauss zwar in den Bundestag gewählt wird, aber sein Mandat nicht annimmt.

Möglicherweise aber greifen die Genossen zu einem Trick – indem sie die Zustimmungserklärung von Tauss einfach verschwinden lassen. Dann fehlen die formalen Voraussetzungen für seine Wahl. Für solche Raffinesse dürfe die Südwest-SPD „keinen Jubelruf erwarten“, mahnte Wahlleiterin Friedrich. SPD-Landesgeschäftsführer Marten Jennerjahn will noch im Verlauf dieser Woche eine Entscheidung. Er gab am Montag zu: „Wir haben ein Problem.“

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