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Swift-Abkommen: EU verweigert sich den USA

Allem Werben der europäischen Regierung und der US-Außenministerin Hillary Clinton zum Trotz: das Europaparlament in Straßburg hat am Donnerstag mit überraschend deutlicher Mehrheit das umstrittene Datenaustauschabkommen mit den USA gekippt.

378 Abgeordnete vor allem aus dem sozialdemokratischen, liberalen und grünen Lager, aber auch deutsche Christdemokraten stimmten gegen das sogenannte Swift-Abkommen. 196 Parlamentarier vor allem der konservativen Parteien votierten für die Vereinbarung. Die in der Frage gespaltene Europäische Volkspartei (EVP) hatte zuvor erfolglos eine Verschiebung der Abstimmung beantragt.

Eine weitere Verzögerung wollte eine Mehrheit jedoch nicht unterstützen, weil die Abstimmung in Europas Volksvertretung eigentlich ohnehin zu spät kommt. Das Abkommen war bereits am 1. Februar ohne parlamentarische Zustimmung in Kraft getreten, weil die EU-Regierungen die Abgeordneten bei der Unterzeichnung am 30. November für nicht zuständig erachtet hatten. Erst später klärten Juristen, dass die Parlamentarier auch über ein Abkommen, das einen Tag vor Inkrafttreten des neuen Lissabon-Vertrages geschlossen wurde, abstimmen müssen. Dadurch war es zu Verzögerungen gekommen, die im Parlament teils wütende Reaktionen auslösten. „Uns wurde nicht genug Zeit gegeben“, beschwerte sich auch der polnische Parlamentspräsident Jerzy Buzek am Donnerstag bei den zum Gipfel versammelten Staats- und Regierungschefs der Union.

Das Abkommen hatte den USA gestattet, auf bestimmte Kontoinformationen europäischer Bürger zuzugreifen. Ziel des Abkommens ist die Terrorabwehr. Viele Abgeordnete machten aber große datenschutzrechtliche Bedenken geltend, weil Unklarheit darüber herrschte, wie präzise oder flächendeckend Daten abgefragt werden, und wie vertraulich die Daten in den USA behandelt werden.

Die Auseinandersetzung um Swift war die erste große Auseinandersetzung zwischen dem Rat der 27 Regierungen und dem Europaparlament, dem durch den Lissabon-Vertrag deutlich mehr Entscheidungskompetenzen zugestanden worden sind. „Wir sind trotz des enormen Drucks von außen nicht eingeknickt“, teilte der Mannheimer SPD-Abgeordnete Peter Simon nach der Abstimmung mit, „und haben unsere erste Bewährungsprobe eindrucksvoll bestanden“.

Gespräche über ein neues Abkommen waren ohnehin geplant, weil das nun abgelehnte ohnehin nur bis Ende Oktober gültig gewesen war. In einem Brief an das Parlament hatte US-Außenministerin Clinton für eine Annahme des strittigen Vertragstextes geworben und eine umfangreiche Beteiligung des Europaparlaments an den Verhandlungen angeboten. „Die US-Diplomatie ist den Gepflogenheiten von Gulliver gefolgt und dachte, man könnte mit dem EU-Parlament wie mit einem Zwergenverein umgehen“, sagt der sozialdemokratische Fraktionschef Martin Schulz – und fügt zufrieden hinzu: „Das ist aber ein Irrtum der amerikanischen Diplomatie.“ Allerdings wird diese Meinung nicht überall geteilt: „Es ist traurig, dass das Parlament dieses wichtige Abkommen nutzt, um Machtspielchen zu spielen“, sagten Diplomaten in Brüssel.

In Berlin begrüßte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Entscheidung. „Die Bürgerinnen und Bürger in Europa haben heute gewonnen“, sagte sie. Das Bundesinnenministerium dagegen bedauerte das Votum des EU-Parlaments. Aus deutscher Sicht sei das Abkommen zwar nicht perfekt gewesen, aber es sei „besser als gar kein Abkommen“, sagte ein Sprecher der Behörde.

Der Finanzdienstleister Swift will den US-Terrorfahndern jetzt nur nur noch eingeschränkt Daten zur Verfügung stellen. In den seltenen Fällen einer Anfrage aus den USA werde das Unternehmen „die juristischen Regeln“ beachten, die in den betreffenden Ländern gelten. Oberstes Ziel sei immer der Schutz der Verbraucherdaten gewesen. mit dpa

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