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Mit oder ohne? Die syrische Opposition ist auch zerstritten darüber, ob sie stärker mit den Kämpfern der „Freien Syrischen Armee“ zusammenarbeiten soll. Foto: Bulent Kilic/AFP

© AFP

Syrien: Kein Gesicht, keine Strategie

Die syrische Opposition ist uneins und zerrissen – nun hat sich noch der Nationalrat gespalten. Damit hat die Welt keinen Ansprechpartner.

Während das Regime in Damaskus seine Bürger weiter mit schwerer Artillerie unter Feuer nimmt und sich gleichzeitig mit seinem Verfassungsreferendum brüstet, bietet die syrische Opposition zunehmend ein Bild von Zerrissenheit und Zerfall. Am Wochenende spalteten sich mehrere prominente Mitglieder des Syrischen Nationalrates (SNC) ab und verkündeten die Gründung einer Syrisch-Patriotischen Gruppe - ein weiterer Indikator für die wachsenden Zerwürfnisse im Dachverband der Regimegegner. Dem SNC sei es nicht gelungen, den Rebellen in Syrien zum Erfolg zu verhelfen, hieß es offiziell zur Begründung. „Für uns ist das Wichtigste, dass wir endlich aus der Lähmung herausfinden“, erläuterte einer der Abtrünnigen. Diese Gruppe setzte sich zum Ziel, Machthaber Assad zu Fall zu bringen und dafür auch die von Deserteuren gebildete „Freie Syrische Armee“ einzusetzen.

Zusammengewürfelt aus Exilsyrern und Aktivisten vor Ort, aus Nationalisten und Marxisten, Religiösen und Säkularen sowie Befürwortern und Gegnern einer Bewaffnung fehlt der Opposition auch zehn Monate nach Beginn des Volksaufstands eine kohärente Strategie für den Kampf gegen das Assad-Regime, ein klares Szenario für einen künftigen Machttransfer sowie ein Plan für den Neuanfang. Und so wachsen auch im Ausland Skepsis und Sorgen. Die Konferenz der „Freunde Syriens“ in Tunis erkannte den SNC zwar als „eine legitime Vertretung der Syrer, die friedlichen demokratischen Wandel anstreben“, an, nicht jedoch als „einzige legitime Vertretung des syrischen Volkes“. Auch dem Vorschlag Saudi-Arabiens und Qatars, die syrische Opposition zu bewaffnen, wollten die westlichen Staaten nicht folgen. „Wir haben doch keine Ahnung, wen wir da eigentlich bewaffnen“, erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton. Schließlich mischen sich unter die Kämpfer in Syrien mittlerweile auch Al-Qaida-Extremisten sowie sunnitische Jihadisten aus dem Irak.

Anders als in Syrien galt seinerzeit der Nationale Übergangsrat in Libyen von Anfang an als die unbestrittene Vertretung der Aufständischen gegen Gaddafi und damit quasi als Exilregierung. Die syrische Opposition dagegen kann immer noch kein allseits respektiertes Gesicht an ihrer Spitze vorweisen, vergleichbar dem libyschen Übergangspräsidenten Mustafa Abdul Jalil. Burhan Ghalioun, der Vorsitzende des zehnköpfigen Exekutivkomitees des Syrischen Nationalrates, vermag diese Rolle nicht zu bekleiden. Der 67-Jährige ist Professor für politische Soziologie an der Sorbonne in Paris. Die 270 Mitglieder des in Istanbul sitzenden SNC repräsentieren säkulare, nationalistische und islamistische Gruppen, prominente Exilsyrer genauso wie kommunale Komitees in Syrien oder Bewaffnete, die auf eigene Faust oder bei der „Freien Syrischen Armee“ kämpfen.

Dagegen gehören dem zweiten Oppositionsverband, dem in Syrien ansässigen Nationalen Syrischen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCCDC), vor allem national gesinnte Oppositionelle an, aber auch Unabhängige und einzelne prominente Dissidenten wie Michel Kilo und Aref Dalila. Anders als der Syrische Nationalrat lehnt der NCCDC eine militärische Intervention von außen kategorisch ab und ist zu Verhandlungen mit Präsident Assad über einen schrittweisen Machttransfer bereit. Ihre Mitglieder haben sich mit dem SNC überworfen und werfen ihm vor, die Lage im Land und die Gefahren einer Bewaffnung falsch einzuschätzen. Dem Treffen der Syrien-Kontaktgruppe in Tunis blieben sie demonstrativ fern.

Der Syrische Nationalrat verharre in Streitereien, die jede produktive Arbeit für die Revolution verzögere, beklagte kürzlich die Aktivistin Rima Fleihan gegenüber der „New York Times“. Jetzt schmiss sie im SNC frustriert die Brocken hin. Denn „diese Leute zanken mehr, als dass sie arbeiten“, beklagte sie. In Syrien sind nahe Homs nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten am Montag 68 Zivilisten massakriert worden. Bewaffnete Männer hätten die Zivilisten auf einem Feld getötet.

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