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Politik: Tabak-Werbung: Kampf dem Marlboro-Cowboy

Für die Tabaklobby auf der einen, staatliche Behörden und Gesundheitsorganisationen auf der anderen Seite hat am Montag ein seit langer Zeit mit Spannung erwartetes Duell begonnen, bei dem es um milliardenschwere Interessen geht. Vor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden die Verhandlungen über die geplante Anti-Tabak-Konvention aufgenommen.

Für die Tabaklobby auf der einen, staatliche Behörden und Gesundheitsorganisationen auf der anderen Seite hat am Montag ein seit langer Zeit mit Spannung erwartetes Duell begonnen, bei dem es um milliardenschwere Interessen geht. Vor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden die Verhandlungen über die geplante Anti-Tabak-Konvention aufgenommen. Dabei geht es um die Inhalte eines internationalen Rahmenabkommens zur Regulierung des Tabakkonsums, die nach der Ratifizierung von den Unterzeichnerstaaten gesetzlich umgesetzt werden muss. Diskutiert werden unter anderem ein totales Werbeverbot für Tabakprodukte, ein Rauchverbot auf öffentlichen Plätzen, ein Verkaufsverbot von Tabakwaren an Kinder und Jugendliche, die weitere Erhöhung und Vereinheitlichung der Steuersätze. Aber auch die bessere Überwachung des Zigarettenschmuggels und die Verstärkung von Prävention sowie Alternativen für Tabakpflanzer sollen angesprochen werden. WHO-Direktorin Gro Harlem Brundtland hofft, dass die Konvention, die das erste gesetzlich bindende Abkommen in der Geschichte ihrer Organisation wäre, bis 2003 verabschiedet wird. Bei den zunächst einwöchigen Verhandlungen in Genf werden nach Angaben der WHO jedoch keine großen Fortschritte erwartet.

Mit aggressiver Rhetorik, die in dieser Vehemenz wohl selten zuvor von einer offiziellen Uno-Stelle gegen einen Industriezweig verwendet wurde, haben WHO-Vertreter in den letzten Tagen das Terrain abgesteckt: Die Tabakindustrie müsse global mit griffigen gesetzlichen Mitteln zurückgebunden werden, da die Konzerne bisher keinerlei Interesse daran gezeigt hätten, den Zigarettenkonsum einzudämmen, verlautete in Genf. Schließlich, so die WHO-Direktorin Gro Harlem Brundtland, sei Tabak das einzige legale Konsumgut, das die Hälfte seiner regelmäßigen Nutzer umbringe.

Doch "die Tabak-Unternehmen unterstützen nur Maßnahmen, von denen man weiß, dass sie sehr geringen Einfluss auf den Tabakkonsum haben", sagte Brundtland am Wochenende. Eingriffe hingegen, die messbare und nachhaltige Auswirkungen auf den Tabakgebrauch haben, lehnten die Konzerne offenbar ab.

Industrie gibt Gefahren zu

Und dies, obwohl diverse Vertreter der Tabakindustrie vergangene Woche an einem Hearing in Genf erstmals in dieser Deutlichkeit zugegeben hatten, dass Rauchen abhängig macht, Krebs auslöst und die Gesundheit schädigt. Anderes ist aber für David Davies, Vizepräsident von Philip Morris Europe, und Chris Proctor, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung von British American Tobacco (BAT), entscheidender: Dass internationale Anstrengungen zur Verminderung des Tabakgebrauchs zu plötzlichen und massiven Entlassungen in der Branche führen könnten. Man sei im Übrigen nicht gegen die Konvention an sich, heißt es von Seiten der weltgrößten Zigaretten-Produzenten; allerdings gehe der Entwurf der WHO zu weit. Der Tabakkonsum dürfe nicht verboten werden, erklärt Marlboro-Mann Davies, und auch eine einheitliche internationale Steuer-Regelung sei abzulehnen. Damit werde die Souveränität einzelner Länder infrage gestellt. Gegen eine griffige Tabak-Konvention sind auch die Werbebranche sowie der Einzelhandel.

Tabakbauern gegen Restriktionen

Vertreter aus südlichen Ländern weisen zudem auf die wirtschaftliche Bedeutung des Rauchens hin. "50 Millionen Menschen weltweit sind für ihren Lebensunterhalt auf den Tabakanbau angewiesen", erklärt der Vorsitzende des internationalen Verbands der Tabakbauern, Antonio Abrunhosa aus Simbabwe. "Wir produzieren ein legales Produkt", sagt Abrunhosa. "Wenn wir es nicht liefern, tut es sonst jemand."

Für die Anti-Raucher-Lobby sind die neusten Bekenntnisse der Tabakindustrie zur Zusammenarbeit mit den Gegnern allerdings bloß Schall und Rauch. "Wie kommt es wohl", fragt Matthew Myers von der US-Kampagne für Tabakabstinente Kinder, "dass Philip Morris zwar betont, man wolle nicht, dass Kinder rauchen, ihr Marketing aber dafür gesorgt hat, dass Marlboro unter Kindern die beliebteste Marke ist?" Ähnlich lautet das Ergebnis einer WHO-Umfrage in zwölf Entwicklungsländern. Demnach raucht dort bereits ein Fünftel aller 13-15-Jährigen Zigaretten. Die meisten setzten auf ausländische Marken wie Marlboro und Camel.

Als Minimalziel schwebt der WHO denn auch ein Verbot von Werbung vor, die sich an Kinder wendet. Ein generelles Werbeverbot, so verlautete aus Delegationskreisen, sei aber nicht durchsetzbar. Denn ob Weltmarken wie Camel dereinst durch das Nadelöhr eines totalen Werbeverbots gezwungen werden können, scheint fraglich. Laut Genfer Diplomaten dürfte es der WHO schwer fallen, die Tabak-Konvention in der von ihr gewünschten Form zur Ratifizierung zu bringen. Zwar unterstützen Länder wie Kanada and Norwegen ein griffiges Abkommen. In der EU hofft man zumindest, dass die Anti-Tabak-Konvention eine weltweit möglichst einheitliche Gesetzgebung schafft. "Sonst werden die Investitionsentscheidungen der Konzerne danach getroffen, welches Land die liberalste Tabak-Regelung hat", sagte ein EU-Vertreter. Aber selbst die USA, die zu Hause einen lauten Feldzug gegen den Tabakkonsum führen, sperren sich gegen allzu strenge internationale Normen. Skepsis herrscht zudem in vielen armen Ländern. Hier leisten die Zigarettensteuern einen willkommenen Beitrag zum mageren staatlichen Einkommen.

Daniel Birchmeier

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