zum Hauptinhalt

Politik: Tätigkeitsbericht Petitionsausschuss: Kummerkasten mit Hochkonjunktur - 1999 Zahl der Beschwerden auf 18 176 gestiegen

Deutsche und Ausländer wenden sich bei Streitigkeiten mit Behörden und staatlichen Instanzen nicht nur mehr an Gerichte, sondern richten ihr Anliegen zunehmend auch an den Petitionsausschuss des Bundestages. Der "Kummerkasten der Nation" hat Hochkonjunktur: Mit 18 176 dort eingegangenen Bitten und Beschwerden ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 6,5 Prozent gestiegen.

Deutsche und Ausländer wenden sich bei Streitigkeiten mit Behörden und staatlichen Instanzen nicht nur mehr an Gerichte, sondern richten ihr Anliegen zunehmend auch an den Petitionsausschuss des Bundestages. Der "Kummerkasten der Nation" hat Hochkonjunktur: Mit 18 176 dort eingegangenen Bitten und Beschwerden ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 6,5 Prozent gestiegen. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht des Ausschusses hervor, den dessen Vorsitzende Heidemarie Lüth (PDS) am Dienstag in Berlin vorstellte. Die Zahlen belegten, welch hohen Stellenwert das Petitionsrecht nach wie vor im politischen Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger einnehme, erklärte Lüth. Neben Lüth gehören dem Ausschuss weitere 28 Mitglieder aus allen Bundestagsfraktionen an.

Spitzenthema dieses Jahres sei wie im Vorjahr die Sozialgesetzgebung gewesen, hieß es im Tätigkeitsbericht. Auffallend sei die gestiegene Anzahl an so genannten Sammelpetitionen, die mit einer Unterschriftenliste eingereicht werden. Die Zahl der Unterschriften stieg von knapp 67 000 im Jahr 1998 auf nahezu 814 000 im vergangenen Jahr. Für den Löwenanteil sorgte dabei die evangelische Kirche, die sich mit 400 000 Unterschriften für die Beibehaltung der Sonntagsruhe bei einer Änderung des Landeschlussgesetzes einsetzte.

Mit 160 000 Unterschriften wandten sich Bürger gegen die Beteiligung Deutschlands am Kosovo-Konflikt. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man gegen einen Volkskammerbeschluss der DDR so viele Unterschriften hätte sammeln können", spielte PDS-Politikerin Lüth auf das zwar in der ehemaligen DDR seit 1975 garantierte, aber tatsächlich kaum genutzte Petitionsrecht an. 1999 nahmen die Bürger Berlins mit statistischen 579 Einsprüchen pro Million Einwohner das Petitionsrecht am eifrigsten wahr, gefolgt von Thüringen mit 504. Das Schlusslicht bildet Bayern mit 117 Eingaben. Nach dem Grundgesetz hat "Jedermann", also auch ein Ausländer, das Recht, über den Petitionsausschuss Bitten und Beschwerden an den Bundestag zu richten. Dort können sogar Minister vor den Ausschuss geladen werden.

Die Zahl der positiv beschiedenen Einsprüche hat sich dem Tätigkeitsbericht zufolge von etwa 50 Prozent noch vor zwei Jahren auf etwa zwei Drittel im vergangenen Jahr erhöht. Kritik übte Ausschuss-Vorsitzende Lüth an der Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenministerium in der Asylproblematik. "Hier gibt es wenig Spielraum, aber auch wenig Willen", sagte Lüth. Die Ausschuss-Obfrau der Grünen, Annelie Buntenbach, forderte eine Härtefallregelung bei Asylpetitionen. "Wir sind die Schnittstelle zwischen Parlament und Bürger", definierte Heidemarie Lüth die Rolle des Ausschusses, in dem meist die Sachthemen Vorrang vor Parteipolitik haben. "Wir sind eine verschworene Gemeinschaft. Da kennen wir keine Parteien, nur Petitionen", sagte SPD-Obmann Bernd Reuter.

Auch in diesem Jahr bekam der Ausschuss ungewöhnliche Petitionen auf den Tisch. So wollte ein Petent Rezeptformulare wegen angeblicher Satanszahlen gesetzlich ändern lassen. Eine andere Eingabe monierte die "ausdruckslos, einfältig und schlapp" herab hängende Bundesfahne im Reichstag. Ein Gebläse lehnte der Petent von sich aus ab, da er Erkältungsgefahr für die Abgeordneten befürchtete. Mit dem Hinweis auf die "naturgesetzliche Notwendigkeit einer in geschlossenen Räumen nun einmal herab hängenden Flagge" lehnte der Ausschuss die Petition ab.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false