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Sauerland

© dpa

Sauerland-Gruppe: Terrorprozess mit schwieriger Beweisführung

Am Mittwoch beginnt der Prozess gegen die Sauerland-Gruppe. Die Islamisten wollten in deutschen Großstädten blutige Anschläge verüben. In dem Prozess wird es viel zu klären geben.

Richter Ottmar Breidling dürfte am Mittwoch wieder zu rhetorischen Höchstleistungen ansetzen. Der 61-Jährige, der bereits Mitglieder der Al-Tawid-Terrorzelle verurteilte, ist berüchtigt für seine scharfzüngigen Kommentare. Bei früheren Verfahren forderte er etwa, die Vorgaben beim Lauschangriff zu lockern, und er ging auch schon mit den Ausländerbehörden streng ins Gericht.

Auch Youssef Mohamad El Haj Dib hat die harte Gangart des Richters schon zu spüren bekommen. Den Kofferbomber von Köln warnte er gleich am ersten Prozesstag, hier keine "Geschichten aus 1001 Nacht" zu erzählen.

Solche Sätze wird vermutlich auch die Sauerland-Gruppe von Breidling zu hören bekommen, die sich ab Mittwoch im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu verantworten hat. Fritz G., Daniel S., Adem Y. und dem Mitangeklagten Komplizen Attila S. wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen und inländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Zudem legt ihnen die Bundesanwaltschaft die Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens zur Last. Mindestens zwei Jahre soll das Verfahren dauern. Ein Mammut-Prozess rollt auf das Land zu, ein Prozess, wie es ihn zuletzt wohl nur bei der Roten Armee Fraktion oder nach den Anschlägen auf die Berliner Diskothek "La Belle" gegeben hat.

Es wird viel zu klären geben, 500 Aktenordner sind gefüllt, auch wenn an den deutschen Stammtischen der Sachverhalt längst klar scheint. Vier junge Männer wollten im Namen Allahs in Deutschland Anschläge verüben. Fritz G. und Daniel S., beides Scheidungskinder und als Jugendliche zum Islam konvertiert, gelten als besonders fundamentalistisch. Sie wollten die Städte brennen sehen, wie einst New York am 11. September 2001. Menschen sollten sterben und in Trauer versinken und sich dann selbst die Schuldfrage stellen.

Der heidnische Westen sollte eine unvergessliche Lektion erhalten, und die Brüder im Glauben - in Afghanistan, Pakistan, Irak - sollten sehen, was gerade deutsche Konvertiten zu leisten im Stande sind. So wie G. und S., die seit ihrem Wechsel zum Islam ausgenommen hart zu sich selbst und gegenüber ihrem Umfeld auftraten.

Innenminister Schäuble forderte Onlinedurchsuchung

Nur Eingeweihte konnten im Juni 2007 wissen, warum Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble plötzlich ein Gesetz verlangte, das die Onlinedurchsuchung erlaubt. Damals, wenige Wochen vor dem Zugriff, ahnte kaum jemand den Grund: Eine geheime Operation, die längst im Gange war und den Namen "Alberich" trug, frei nach dem Zwerg aus der Nibelungensage, der mittels Tarnkappe den Nibelungenhort zu hüten hatte.

Die Fahnder waren der Sauerland-Gruppe auf den Fersen, sie hatten bereits im Oktober 2006 Hinweise vom amerikanischen Geheimdienst NSA erhalten. Danach wurden Autos verwanzt, Telefongespräche mitgeschnitten, E-Mail-Verkehr gelesen. Fritz G., Daniel S., Adem Y. waren sich kurz zuvor in einem Terror-Camp in Nord-Waziristan begegnet. Ihre Mentoren lehrten sie zu beten, Sprengstoff zu mischen und Waffen zu benutzen. Sie kehrten nach Deutschland zurück und trugen die fanatische Idee vom Dschihad in ihre Heimatprovinzen, nach Neu-Ulm, ins saarländische Neunkirchen und ins hessische Langen. In der Silversternacht 2006 inspizierten sie unter Beobachtung der Ermittler unter anderem die US-Kaserne "Pioneer Baracks" in Hanau.

Trotz anschließender Hausdurchsuchungen und Einstufung als Gefährder konnten sie sich Monate später in Hannover ganz legal Wasserstoffperoxid beschaffen, das sich in hoher Konzentration und in Verbindung mit Weizenmehl zu einer hochexplosiven Mischung verarbeiten lässt. Die Kanister mit der Chemikalie lagerten sie in einer Garage im Schwarzwald - alles unter Beobachtung der Fahnder. Die Beamten tauschten sogar den Stoff heimlich gegen eine harmlose Flüssigkeit aus. Im September 2007 mieteten sich die ahnungslosen Männer schließlich eine Ferienwohnung im sauerländischen Oberschlehdorn, um in ihrer Hexenküche das tödliche Gebräu anzurühren. Es erfolgte der Zugriff, seitdem sitzen die Mitglieder der Sauerland-Gruppe in Isolationshaft.

Schwierige Beweisführung

Die Bundesanwaltschaft steht trotz dieser scheinbar erdrückenden Beweislast vor mächtigen Problemen. Denn der Nachweis, die Truppe sei Mitglied in einer ausländischen Terrorvereinigung gewesen, dürfte von der Verteidigung schwer unter Beschuss genommen werden. Angeblich sollen die vier im Namen der Islamischen Dschihad Union (IJU) die Anschlagspläne entwickelt und anschließend eine eigene IJU-Zelle gegründet haben. Doch seit Jahren schon gibt es selbst unter Verfassungsschützern Zweifel ob der Existenz der Vereinigung.

Ein zweites Problem sind die Zeugen, die von der Bundesanwaltschaft verzweifelt gesucht und im Ausland gefunden wurden. Eine wichtige Rolle spielen in der Anklage ein Kasache, der Fritz G. das Schießen beigebracht haben soll, und der Usbeke Sherali A. Ein Bundesanwalt verhörte den mutmaßlichen IJU-Kämpfer in einem Gefängnis in Taschkent. Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international sind entsetzt. Denn ihrer Meinung nach stützt sich die Bundesanwaltschaft auf eine Aussage, die sehr wahrscheinlich unter Folter zustande gekommen ist. Und hieraus ergibt sich eine zentrale Frage für den ganzen Prozess: Darf sich ein Rechtsstaat so etwas leisten?

Christian Parth

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