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Polizisten durchsuchten am Samstag das Islamische Kulturzentrum.

© Carmen Jaspersen/dpa

Terrorwarnung in Bremen: Fast wieder Normalität

Von der Terrorwarnung zeigen sich die Bremer wenig beeindruckt. Die Sicherheitsauflagen wurden gelockert, die Festgenommenen auf freien Fuß gesetzt. Doch die Ermittlungen wegen Waffengeschäften laufen weiter.

Wilde Jagden mit gestohlenen Autos, zerdepperte Scheiben, Massenschlägereien. Gewalt gibt es im Bremer Szeneviertel Steintor am Wochenende nur im Kino. In der „Schauburg“ läuft „Als wir träumten“, die Verfilmung von Clemens Meyers gleichnamigem Roman. Alle Vorstellungen sind gut besucht. Niemand habe vorabbestellte Karten wegen der Terrorwarnung zurückgegeben, sagt der Mann an der Kasse. Dasselbe Bild im „Cinema“, ein paar hundert Meter weiter. „Die Vorstellungen am Samstagabend waren rappelvoll“, erzählt Thekenfrau Katarina von der über dem Kino gelegenen „Heldenbar“. Auch die Kneipe sei bestens besucht gewesen. „Die möglichen Anschläge waren dabei kein großes Thema, soweit ich das mitbekommen habe.“

Sorge um das Fußballspiel

Das Café „Ambiente“ am Bremer Osterdeich bietet einen prächtigen Blick auf die Weser. Am Sonntagvormittag ist das Lokal wie immer um diese Zeit bis auf den letzten Platz besetzt. Neben Bewohnern des nahen Steintorviertels, die hier gern ihr zweites Frühstück einnehmen, sind auch die ersten Fußballfans eingetroffen. Die Gäste sind etwas in Sorge – zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht sicher, ob das für den frühen Abend angesetzte Bundesligaspiel von Werder Bremen gegen den VfL Wolfsburg im nahe gelegenen Stadion ausgetragen werden kann. „Das wäre ein Jammer, wenn das Spiel wegen der Terrorwarnung ausfällt“, sagt ein Fan, der seinen voluminösen Körper in ein grün-weißes Trikot mit dem Namen des brasilianischen Kickers Diego gezwängt und bereits das dritte Bier bestellt hat. Die Fans hatten Glück – das Spiel fand statt, doch Werder Bremen musste eine Niederlage einstecken.

Hasan K. ist Moslem, lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland und arbeitet in einem Imbiss in der Nähe des Bremer Hauptbahnhofs. Er weiß schon seit Samstagmorgen von der Terrorwarnung und hat, wie er sagt, „ein komisches Gefühl dabei“. Dass tatsächlich ein Attentat verübt wird, glaubt er zwar nicht. „Aber die Islamisten wollen Angst verbreiten.“ Und die Angst könnte dazu führen, dass der Hass auf alle Muslime und auf Flüchtlinge wachse.

30 Salafisten sind bereits nach Syrien ausgereist

Bremen ist bereits seit Jahren eine Hochburg islamistischer Extremisten. Von den 40 000 Muslimen an der Weser gelten 360 als strenggläubige Salafisten und ein kleiner Teil von ihnen auch als gewaltbereit. Nach Angaben von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sind zehn Männer und neun Frauen mit elf Kindern zur Unterstützung des IS-Kampfes nach Syrien ausgereist. Drei der Männer seien bei Kampfhandlungen gefallen, vier inzwischen wieder zurückgekehrt. Alle Syrien-Kämpfer hätten einen unmittelbaren Bezug zu dem salafistischen Bremer „Kultur- und Familienverein“ (KuF), den die Innenbehörde auch deshalb bereits im Dezember verboten habe. Der KuF sei eine besonders radikale Abspaltung des „Islamischen Kulturzentrums“ (IKZ) gewesen, das am Samstag durchsucht wurde.

Ermittlungen wegen Waffengeschäften

Zwei Verdächtige wurden vorübergehend festgenommen, die aber nach Angaben des Innensenators keine Syrien-Rückkehrer sind. Bei einem der beiden Bremer handelte es sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft um einen 39-jährigen Libanesen, gegen den bereits seit Anfang des Jahres wegen möglichen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt werde. Der Beschuldigte stehe im Verdacht, sich Kriegswaffen, nämlich Maschinen- und Automatikpistolen, über bisher unbekannte Lieferanten zu beschaffen und sie an Personen aus dem IKZ-Umfeld weiterzuleiten.

Bei Durchsuchungen zweier Wohnungen, eines Arbeitsplatzes und des Islamischen Zentrums wurden zwar Datenträger und andere Materialien beschlagnahmt, aber keine Waffen gefunden. Mäurer äußerte sich darüber erleichtert. Am Sonntag habe die Polizei ihre öffentlichen Sicherheitsmaßnahmen „eine Stufe zurückschalten“ können; sie lasse jetzt deutlich weniger Beamte in der Stadt patrouillieren als noch am Samstag.

Konkrete Hinweise schon im Herbst

Nach Mäurers Angaben hatten die Bremer Behörden schon im Herbst erste konkrete Hinweise erhalten, „dass Personen aus der salafistischen Szene versuchen, sich zu bewaffnen“. Am Freitagabend habe sich dieser Verdacht durch neue Erkenntnisse einer nicht näher benannten Bundesbehörde verdichtet. Diese Hinweise seien so konkret gewesen, „dass wir einen Anschlag in Bremen nicht mehr ausschließen konnten“. Deshalb, so die Polizei, habe sie „ein Sicherheitsnetz über die Bremer Innenstadt gelegt“ und öffentliche Gebäude einschließlich der Jüdischen Gemeinde besonders geschützt. Zudem wurden mehrere Personen und Fahrzeuge überprüft. „Für mich hat oberste Priorität, dass wir uns das öffentliche Leben nicht von Terroristen diktieren lassen“, meinte Senator Mäurer.

Nach Angaben von Polizeipräsident Lutz Müller sollen an dem mutmaßlichen Waffenhandel einzelne Bremer Personen und eine auswärtige Gruppe beteiligt sein. Die beiden Festgenommenen stünden weiter unter Verdacht, seien aber wegen fehlender Haftgründe freigelassen worden. Durch die Polizeiaktionen seien alle Verdächtigen vermutlich so verunsichert, dass sich die Gefahr für die Öffentlichkeit jetzt relativiert habe. Die Ermittlungen würden aber fortgesetzt.

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