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Politik: Thierse im Iran: "Kontakt zu Teheran hilft den Reformern"

Politikerbesuche aus demokratischen Ländern stützen die liberalen Reformkräfte des Iran im Parlament und im Umfeld des Präsidenten. Boykott und Isolation durch Europa stärken hingegen die konservativen Flügel der iranischen Gesellschaft in der Justiz und der Geistlichkeit.

Politikerbesuche aus demokratischen Ländern stützen die liberalen Reformkräfte des Iran im Parlament und im Umfeld des Präsidenten. Boykott und Isolation durch Europa stärken hingegen die konservativen Flügel der iranischen Gesellschaft in der Justiz und der Geistlichkeit. Diese Ansicht vertrat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse nach seiner Rückkehr von einer fünftägigen Iranreise gegenüber dem Tagesspiegel. Seine iranischen Gesprächspartner seien der festen Überzeugung, dass die Reformbewegung eine breite Mehrheit in der Bevölkerung finde. Von der kommenden Präsidentenwahl im Juni, bei der mit einer erneuten Kandidatur des Reformers Chatami gerechnet wird, erhoffen sich die Reformkräfte eine geradezu plebiszitäre Stärkung der Demokratiebewegung.

Thierse ist im Iran von den Reformkräften darauf hingewiesen worden, dass dieses islamische Land das einzige sei, in dem es relativ freie Wahlen und ein erfolgreich um seine Souveränität kämpfendes Parlament gebe. Im Blick auf andere islamische Länder zeige sich, so sei ihm erklärt worden, dass der Iran auf dem Weg zu einer demokratischen Gesellschaft schon deutliche Fortschritte gemacht habe. Bemerkenswert fand Thierse, dass der iranische Parlamentspräsident Karrubi Attacken des konservativen Staatsfernsehens gegen ihn nicht nur klar zurückgewiesen, sondern dies auch dazu genutzt habe, den Freiheitsraum der Volksvertretung öffentlich zu beschreiben.

Der Bundestagspräsident kommt mit einem deutlich freundlicheren Iranbild von seiner Reise zurück, als er es vorher gehabt habe. Allerdings möchte er dem Bundeskanzler keine Empfehlung geben, wann dieser seine grundsätzlich zugesagte Iranreise antreten sollte. Diplomatische Beobachter gehen davon aus, das dies kaum vor der Neuwahl des Präsidenten im Juni geschehen kann. Grundsätzlich bestünde im Iran aber großes Interesse an einem intensiveren Austausch mit Deutschland. Gerade auf dem kulturellen Sektor würden ganz erhebliche Defizite gesehen, sagte Thierse. Bei seinen Gesprächen mit Hochschullehrern und Studenten sei ihm versichert worden, dass gerade hier jeder Austausch die Entwicklung fördern würde. Da mehr als 50 Prozent der Bevölkerung unter 18 Jahre alt sei, müsse Iran zudem gerade auf den Gebieten der Bildung, Ausbildung und Arbeitsplatzbeschaffung große Anstrengungen machen.

Grundsätzlich bezeichnet Thierse den iranischen Versuch, die Modernisierung des Landes und die Bewahrung des religiösen Erbes miteinander zu vereinbaren, als ein "aufregendes Abenteuer".

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