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Thorsten Schäfer-Gümbel: Friedensstifter aus Versehen

Thorsten Schäfer-Gümbel hat den Dauerstreit in der Hessen-SPD entschärft – mit der Offensive gegen Roland Koch hapert es noch.

Noch vor gut einem Jahr ist der Gießener SPD-Landtagsabgeordnete Thorsten Schäfer-Gümbel, 40, froh gewesen, wenn die örtlichen Lokalzeitung von ihm Notiz nahm. Für den heutigen Montag hat er Berliner Journalisten eingeladen, um seine Vorschläge für eine gründliche Revision der Hartz-Arbeitsmarktgesetze vorzustellen. Nur so könne die SPD die Entfremdung von Basis und Wählerschaft überwinden. Vor einer Woche drohte „TSG“ sogar seinem direkten Gegenspieler, Ministerpräsident Roland Koch, nach dessen „Machtmissbrauch“ bei der Ablösung von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender: Wenn Koch nicht ernsthaft mit der SPD über einen neuen ZDF-Staatsvertrag verhandelt, würden die hessischen SPD- Bundestagsabgeordneten der Verfassungsklage der Grünen zum nötigen Quorum verhelfen, so die Ansage. Nach nur einem Jahr im Amt des hessischen SPD-Landesvorsitzenden ist der frühere Hinterbänkler und bekennende Fußballfan Schäfer-Gümbel mindestens in der zweiten Bundesliga angekommen.

Am Anfang war die Brille. Als im November 2008 Andrea Ypsilanti nach der gescheiterten Regierungsübernahme in Hessen überraschend ihren Landtagskollegen TSG als neuen Spitzenkandidaten präsentierte, witzelte die politische Konkurrenz über dessen kleinformatige Brille mit Gläsern, dick wie Glasbausteine, die er wegen eines Augenleidens trägt. Doch „TSG“ drehte den Spieß um. Er machte die Brille zum Markenzeichen. Das Teil gilt inzwischen als cool. „Du hast keine Chance, also nutze sie“, so übernahm er damals auch die Aufgabe, den völlig zerstrittenen SPD-Landesverband nach dem Desaster um ein gescheitertes Linksbündnis in eine aussichtlose Neuwahl zu führen. Das Ergebnis am 28. Januar 2009 war für die SPD (23,7 Prozent) die erwartete Katastrophe, inzwischen allenfalls relativiert durch das ebenso magere Resultat der SPD bei der Bundestagswahl.

Inzwischen stellt der neue Partei-und Fraktionsvorsitzende Schäfer-Gümbel selbstbewusst fest: „Das Flügelproblem in der hessischen SPD gibt es definitiv nicht mehr.“ Zum einen Teil hat es sich selbst erledigt. Nach ihrer späten Weigerung, Andrea Ypsilanti zusammen mit der Linken zur Ministerpräsidentin zu wählen, spielen die vier Abweichler, Dagmar Metzger, Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts, in der Partei keine Rolle mehr. Bei der Listenaufstellung der Kandidaten für die Bundes- und die Landtagswahl unterstützte „TSG“ jedoch mit Nachdruck Vertreter des geschwächten wirtschaftsnahen Flügels, die auf aussichtsreichen Plätzen kandidieren wollten. Sein erstes Amtsjahr habe vor allem der Konsolidierung nach innen gegolten, sagt Schäfer-Gümbel.

Pünktlich zum ersten Jahrestag der schwarz-gelben Landesregierung hat er jedoch die Abteilung Attacke verschärft. Der Landesregierung wirft er im Zusammenhang mit dem Flughafenausbau in Frankfurt „vorsätzlichen Wählerbetrug“ vor. Sie gehe juristisch gegen das Nachtflugverbot vor, das der Bevölkerung stets zum Ausgleich für die Belastung durch den Ausbau versprochen worden sei. Roland Koch  habe vor zwei Jahren angekündigt, Hessen zum „Musterland der erneuerbaren Energien“ zu machen. Doch die zuständige Umweltministerin Silke Lautenschläger (CDU) habe bislang lediglich Propagandasätze abgegeben und kämpfe gleichzeitig für längere Laufzeiten der „Schrott-Atommeiler“ in Biblis, meint „TSG“. Dem Ministerpräsidenten selbst sei offenbar nach elf Jahren im Amt der Spaß an der Arbeit abhandengekommen, sagt sein Gegenspieler. Koch werde noch in dieser Wahlperiode abgelöst, „eher früher als später“, versichert der SPD-Chef, der selbst bei der nächsten Runde wieder als Spitzenkandidat antreten will.

Das wird ihm niemand streitig machen. Längst ist der Verlegenheitskandidat aus dem Schatten seiner Vorgängerin herausgetreten. Auf dem Bundesparteitag wurde er mit einem guten Ergebnis in den Parteivorstand gewählt und rückte auch ins Präsidium der Bundespartei auf, auch dort anstelle von Ypsilanti. CDU und FDP lassen trotzdem keine Gelegenheit aus, ihn als Marionette seiner Vorgängerin zu kritisieren. Aus Anlass der Gründung des „Instituts für solidarische Moderne“, bei der Ypsilanti mitgewirkt hatte, sagte CDU-Generalsekretär Peter Beuth: „Ypsilanti tanzt Schäfer-GYmbel auf der Nase rum“. Auf die Verulkung seines Namens angesprochen, zuckt „TSG“ mit den Schultern: „So etwas richtet sich selbst“, sagt er und fügt hinzu, es sei jede Initiative zu begrüßen, „das Denken auszuweiten“. Allerdings werde er selbst die Programmdiskussion nicht „privatisieren“, sondern in der Partei führen. Als Kritik an Ypsilanti will er diesen Satz jedoch auf keinen Fall verstanden wissen.

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