zum Hauptinhalt

Politik: Timur der Lahme und Atatürk als Vorbilder

Nur Ausländer wagen es, die Ungeheuerlichkeit laut auszusprechen: Rein ethnisch gesehen ist Usbekistans alter neuer Präsident Tadschike. Bei den Präsidentschaftswahlen wurde Islam Karimow, der das Land seit Sowjetzeiten regiert, erwartungsgemäß mit 92 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

Nur Ausländer wagen es, die Ungeheuerlichkeit laut auszusprechen: Rein ethnisch gesehen ist Usbekistans alter neuer Präsident Tadschike. Bei den Präsidentschaftswahlen wurde Islam Karimow, der das Land seit Sowjetzeiten regiert, erwartungsgemäß mit 92 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

Zur Welt kam Islam Karimow am 30. Januar 1938 in Samarkand in der Familie eines Angestellten, der ihn wegen besserer Bildungschancen auf eine russische Schule schickte. 1960 ging Karimow nach dem Ingenieursdiplom in die Hauptstadt Taschkent und arbeitete in einer Flugzeugfabrik, wo er es mit 28 Jahren zum Chefkonstrukteur brachte. Nebenbei studierte er Volkswirtschaft, was ihm eine Berufung in die Zentrale Plankommission eintrug. Auch dort machte er schnell Karriere. 1983 wurde er Finanzminister der Usbekischen Sowjetrepublik, kurz drauf Vizepremier.

1989 wurde er KP-Chef der Usbekischen Sozialistischen Sowjetrepublik und 1990 wählte das Parlament ihn zum zu deren Präsidenten. Im Dezember 1991 - vier Monate nach der Unabhängigkeitserklärung Usbekistans - fanden dort die ersten und, wie böse Zungen behaupten, bisher einzigen freien und demokratischen Wahlen statt, aus denen Karimow als klarer Sieger hervorging.

Seither scheiden sich die Geister an ihm: Für seine Gefolgschaft ist er ein Modernisierer und Integrator der turksprachigen Gebiete Zentralasiens. Seinen zahlreichen Gegnern - vor allem den Anhängern der Anfang der Neunziger mundtot gemachten nationalen und religiösen Opposition - gilt er als Diktator. Auch bei den jetzigen Präsidentschaftswahlen überließ Karimow nichts dem Zufall: Sein einziger Gegenkandidat, der Philosophie-Professor Abduchafis Dschalalow, bekannte nach dem Urnengang, auch er habe für Karimow gestimmt.

Karimows erklärte historische Vorbilder sind bezeichnend: Atatürk und Timur Lenk. Der Vater aller Türken errichtete zu Beginn der Zwanziger auf den Trümmern des Osmanischen Reiches eine prowestlich orientierte, laizistische Republik. Der lahmende Tataren-Khan Timur indessen hatte vor fünfhundert Jahren die Vorfahren der Usbeken - türkische Nomaden, die im XIII. Jahrhundert vor dem Mongolensturm südwärts flüchteten - mit der alteingesessenen iranischen Bevölkerung in einem Großreich vereinigt.

Mit der Begründung, das Überschwappen von Chaos und Bürgerkrieg im benachbarten Tadschikistan verhindern zu müssen, setzte er 1995 die Präsidentschaftswahlen einfach ab, um sich per Referendum seine Vollmachten bis zum Jahre 2000 bestätigen zu lassen. Gleichzeitig trieb Karimow die Abnabelung vom einstigen Schwerkraftzentrum zügig voran. Das unabhängige Usbekistan ist anerkannter Motor einer regionalen Integrationsbewegung, bei der Russland außen vor bleibt.

Anfang April kündigte Karimow die Mitgliedschaft im Vertrag für kollektive Sicherheit der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Ende April, am Rande der NATO-Jubiläumstagung in Washington, unterschrieb er die Beitrittserklärung zum GUAM-Pakt, einer von Georgien, der Ukraine, Aserbaidschans und Moldowa gegründeten Organisation für wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit, die die Nato-Mitgliedschaft anstrebt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false