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Todesstrafe: 1000. Gefangener in den USA hingerichtet

In den USA wurde wieder ein Gefangener hingerichtet. Kenneth Lee Boyd hat das makabere Los in der "Lotterie des Todes" gezogen: Er war der 1000. seit der Wiedereinführung der Todesstrafe vor knapp 30 Jahren.

Washington - Die ganze Welt blickte nach Utah, als dort Gary Gilmore am 17. Januar 1977 durch ein Erschießungskommando hingerichtet wurde. 999 weitere Gefangene sind seitdem in den USA exekutiert worden, zumeist ohne Schlagzeilen, in US-Medien oft sogar nur in einer kleinen Meldung registriert - es sei denn, es handelte sich um spektakuläre Fälle. Es ist schlicht so, dass Exekutionen in den USA seit der Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 so gang und gäbe geworden sind, dass die Öffentlichkeit eher am Rande Notiz davon nimmt, kaum jemand auch nur den Namen des Hingerichteten kennt.

Bei Kenneth Lee Boyd ist das anders: Als 1000. Häftling, der seit der Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA im Jahr 1976 hingerichtet wurde, hat er unfreiwillig ein Stück Geschichte geschrieben, das Los in der «Lotterie des Todes» gezogen, wie es Amnesty International formulierte. Dabei gehört sein Fall sonst zu den unspektakulären: An seiner Täterschaft bestand kein Zweifel, schließlich bekundete er selbst ja auch Reue, und Boyd gehörte auch keiner benachteiligten Minderheit an: Er war weiß.

Statistiken zeigen, dass gemessen an der Bevölkerung immer noch deutlich mehr Schwarze hingerichtet werden als Weiße, und noch krasser wird die Diskrepanz, wenn der Täter schwarz und das Opfer weiß ist. Auch sind 98 Prozent der leitenden Bezirksstaatsanwälte in den US-Staaten, in denen es die Todesstrafe gibt, weiß.

Aber immerhin sind die Hinrichtungsmethoden «humaner» geworden, wie es jedenfalls die US-Justizbehörden formulieren. In 37 von 38 US-Bundesstaaten, die die Todesstrafe wieder einführten, ist die Giftspritze als einzige oder als Methode der Wahl festgelegt, nur noch Nebraska benutzt den elektrischen Stuhl. Zwei wesentliche Änderungen wurden zudem von Todeskandidaten und Todesstrafengegnern vor dem höchsten Gericht erkämpft: Geistig Behinderte dürfen seit 2002 nicht mehr hingerichtet werden, und seit Kurzem gilt auch ein Exekutionsverbot für Straftäter, die zur Tatzeit minderjährig waren.

Richard Dieter, Leiter des Washingtoner Todesstrafen-Informationszentrums, sieht in beiden Entscheidungen ein Indiz dafür, dass in der US-Gesellschaft die lebenslange Haftstrafe ohne Möglichkeit einer Freilassung auf Bewährung zunehmend als Alternative zur Hinrichtung akzeptiert wird. Tatsächlich ist in den vergangenen Jahren sowohl die Zahl der Todesurteile als auch der Hinrichtungen zurückgegangen. 59 Häftlinge - mit Texas wie stets als Spitzenreiter - wurden 2004 hingerichtet, das vierte Jahr hintereinander eine rückläufige Zahl. In mehreren Staaten - darunter Illinois - wird die Todesstrafe de facto nicht mehr vollstreckt.

Zurückzuführen ist der Trend hauptsächlich darauf, dass in den vergangenen Jahren viele Todeskandidaten frei gelassen wurden, nachdem sich - meistens mit Hilfe der moderneren DNA-Testmethoden - ihre Unschuld herausgestellt hatte. 122 waren es seit 1973 und 35 allein seit 2000. Das legt die Schlussfolgerung nahe, dass in der Vergangenheit möglicherweise dutzende Menschen wegen Taten hingerichtet wurden, die sie gar nicht begangen hatten.

«Das schreckt denn doch viele Menschen auf», sagt Dieter. Eine jüngste Umfrage gibt ihm recht: Danach befürworten nur noch 62 Prozent der Amerikaner die Todesstrafe, während es vor zehn Jahren noch 80 Prozent waren. Ein Ende der Hinrichtungen erwarten Experten wie Dieter dennoch auf lange lange Sicht nicht. So sieht es denn auch nach der 1000. Exekution ganz danach aus, dass die USA weiter ihren Platz in der Spitzengruppe der «Hinrichtungsländer» der Welt behalten werden. Es ist nach Berechnungen von Amnesty International Rang vier - nach China, Iran und Vietnam.

Boyds Exekution war die 56. in diesem Jahr. Bereits am Abend (Ortszeit) war in South Carolina die Hinrichtung des 34-jährigen Shawn Paul Humphries geplant, der wegen Mordes an einem Ladenbesitzer verurteilt wurde. (Von Gabriele Chwallek, dpa)

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