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Politik: Tödlicher Glaube

Die religiöse Minderheit der Bahai wird im Iran verfolgt. Jetzt fürchtet sie ein neues Gesetz

Sahbas Vater, ein Antennenbauer, ist nicht zu Hause, als es um neun Uhr abends an der Tür klopft. Er wolle etwas für den Vater abgeben, sagt der Fremde. Als Sahba und ihre Freundin nicht öffnen, versucht er, die Tür einzutreten. Dann rollt ein Bagger auf das Haus in der südiranischen Kleinstadt Abadeh zu. Beim Versuch, die Polizei zu rufen, bricht die Telefonleitung zusammen. Zehn bis 15 Basidschi, Mitglieder einer paramilitärischen Miliz, stürmen das Haus. Als Sahbas Vater zurückkommt, nehmen die Maskierten ihn mit. Am nächsten Morgen liegt eine Nachricht im Briefkasten: „Ihr Bahai, Abadeh soll von euch gesäubert werden, verschwindet von hier, sonst tun wir eueren Familien etwas an“. Ein Nachbar erzählt dem Vater später, vor dem Überfall sei der Leiter der örtlichen Sittenpolizei gekommen, habe ein „Manöver“ ankündigt und allen befohlen, nicht die Türen zu öffnen.

Überfälle auf Bahai wie dieser vom 27. Januar sind politisch gewollt oder sogar vom Mullah in der Freitagspredigt angeordnet, berichten regierungskritische Studenten der Teheraner Amir Kabir Universität. Die Bahai sind mit etwa 300 000 Mitgliedern die größte religiöse, nichtmuslimische Minderheit im Iran. Seit Mahmud Ahmadinedschad Präsident ist, hat sich ihre Situation deutlich verschlechtert. Dem Teheraner Parlament liegt ein Gesetzentwurf vor, wonach der Abfall vom Islam – und das wird etlichen Bahai vorgeworfen – mit dem Tod bestraft werden soll. Während man Bahai bisher unter anderen Vorwänden inhaftierte oder hinrichtete, könnte ein Richter sie auf Grundlage des Gesetzes, so es verabschiedet wird, zum Tod verurteilen. Die EU hat das Vorhaben verurteilt, kurz zuvor hatte sie sich besorgt über die Lage religiöser Minderheiten im Iran, „vor allem über die schlimme Lage der Bahai“, besorgt gezeigt.

Vor etwa 160 Jahren entstand im Iran die Religion der Bahai, und wird seitdem dort verfolgt. Doch seit der Revolution 1979 nahm der Druck noch einmal zu. Theologisch betrachtet gelten Bahai im Islam als Abtrünnige, weil die Religion sich zwar aus dem schiitischen Islam heraus entwickelt hat, sich dann aber von diesen Wurzeln löste. Die Bahai achten den Koran, halten aber den Propheten Mohammed, anders als der islamische Klerus, nicht für den letzten Propheten. Hinzu kommt, dass sie sich bei ihrem täglichen Gebet Richtung Israel wenden, wo sich ihre Heiligen Stätten befinden. Irans Regierung nennt sie deshalb „zionistische Spione Israels“. Dass der Stifter der Religion Mitte des 19. Jahrhunderts vom damaligen Schah nach Israel verbannt wurde, spielt dabei keine Rolle.

Anfang der 80er Jahre wurden im Iran viele Bahai als Irrgläubige und Spione festgenommen und ermordet. Erst als UN und westliche Regierungen protestierten, gingen die Todesurteile zurück. Seit Anfang der 90er Jahre gab es keine spektakulären Festnahmen mehr. Stattdessen verweigerte man den Bahai beispielsweise das Recht auf Bildung und drängte sie wirtschaftlich ins Aus: Sie sollten Muslime werden oder auswandern.

Heute dürfen die Bahai nicht als Beamte arbeiten, keine Restaurants betreiben oder Haare schneiden, weil sie als unrein gelten. Vom Studium an den nationalen Unis werden sie nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch faktisch ausgeschlossen. Zugleich tauchen in großen Zeitungen wie dem „Kayhan“ solche Hetzartikel auf: Darin wurde beschrieben, wie Anhänger der „perversen Sekte“ einem Kind im Park auflauerten, um es als Blutopfer darzubringen.

Seit der Wahl von Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten vor zwei Jahren habe sich die Lage verschärft, so die Internationale Bahai Gemeinde, die als Vertreter der Religion bei den UN in New York beratenden Status hat. Ein Beispiel: In der Stadt Schiras hatten seit dem Sommer 2004 junge Bahai zusammen mit muslimischen Freunden Kinder in den Vororten besucht, um ihnen Nachhilfe zu geben. Ende des Jahres wurden dann 53 dieser jungen Bahai verurteilt: Drei von ihnen zu vier Jahren Haft. Die übrigen 50 erhielten Bewährungsstrafen unter der Auflage, an einem „Umerziehungsprogramm“ des Propagandaministeriums teilzunehmen. Ihre Anwälte haben Berufung eingelegt. Sie befürchten, die Jugendlichen sollen zu Muslimen „umerzogen“ werden. Selbst Kinder aus Bahai-Familien werden attackiert, berichtet die Internationale Bahai Gemeinde. Sie hat mehr als 100 Fälle dokumentiert, in denen Kinder von Lehrern beschimpft, geschlagen oder von der Schule verwiesen wurden. Allein in Schiraz soll dies mindestens 17 Schüler betreffen.

Weil der Druck so zugenommen hat, setzen sich inzwischen andere Iraner für die Bahai ein, obwohl sie dies selbst gefährden könnte. Die UN-Generalversammlung hat bereits im Herbst ihre Sorge zum Ausdruck gebracht. Doch Ahmadinedschad selbst sagte vor den UN, der Glaube der Bahai werde in Irans Verfassung nicht als Offenbarungsreligion genannt, und das entspreche dem Wunsch des Volkes. Das bedeutet offenbar: Es geht hier nicht um eine Religion, und ohne Religion gibt es kein Recht.

Die Autorin ist Redakteurin des WDR. Sie gehört der Religion der Bahai an

Isabel Schayani

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