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Politik: Total enttarnt

Die Daten von 12 000 Westspionen der Stasi sind nicht mehr geheim – Enthüllungen und Prozesse sind dennoch nicht zu erwarten

Marianne Birthler streicht mit ihrer Hand sanft über die CD-Hülle. „Das hier ist ganz wertvoll“, sagt die Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen. Dann schaut sie auf die CD-ROM, auf der mit schwarzen Buchstaben steht: „Rosenholz; secret, secret“. Birthler lacht: „Nee, geheim sind die nicht mehr.“

Rosenholz – dahinter verbirgt sich ein wilder Agentenkrimi. Mikrofilme mit den Namen der Stasi-Westspione waren 1990 vom US-Geheimdienst CIA entwendet worden; die DDR-Staatssicherheit umwehte ein letztes Geheimnis. Erst jetzt sind die Daten – erfasst auf 381 CD-ROMs – wieder in Deutschland, erst jetzt sind sie nicht mehr geheim. Müssen nun tausende Westagenten ihre Enttarnung fürchten? Muss die Geschichte der Stasi neu geschrieben werden? Historiker sagen: ja. Marianne Birthler sagt: nein.

In der Tat sind spektakuläre Enthüllungen kaum zu erwarten. „Spionagefälle von Bundesbürgern sind weitgehend aufgeklärt“, sagt Birthler. Deutsche Ermittler durften vor zehn Jahren in den USA die Daten einsehen. Es gab Prozesse, etwa gegen den Top-Spion Rainer Rupp alias „Topas“, der für die DDR das Nato-Hauptquartier ausspioniert hatte. Rupp wurde wegen Landesverrats zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Inzwischen sind die meisten Straftaten jedoch verjährt.

Warum also die Aufregung? „Noch nie war ein Geheimdienst so nackt wie jetzt“, sagt Historiker Helmut Müller-Enbergs. Die Arbeit der Westspione und ihrer tausenden Unterstützer in der DDR liege nun offen. Dazu hatte „Rosenholz“ als Baustein gefehlt. Auf den CD- ROMs stehen die Klarnamen der Spitzel. Bislang waren oft nur Decknamen bekannt, die in der Datenbank „Sira“ standen. „Sira“ umfasst eine Übersicht der Berichte, die die etwa 12 000 Bundesbürger in Stasi-Diensten ablieferten. Die Berichte selbst sind vernichtet.

Neben der historischen haben die Daten politische Bedeutung. Neue Stasi-Überprüfungen könnten Politiker oder Beamte ins Zwielicht rücken. Bis dahin vergehen aber noch Monate. Zunächst will Birthlers Behörde die CD-ROMs sichten. „Die Daten sind erst in einem halben Jahr nutzbar“, sagt Birthler. Historiker wie den Stasi- Experten Hubertus Knabe wundert das. „Nach 13 Jahren Geheimniskrämerei muss alles zügig zugänglich gemacht werden“, fordert Knabe. Erst dann habe die Ungleichbehandlung von Ost und West in Sachen Stasi ein Ende.

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