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Politik: Träger dürfen Dignidad-Bewohnern Zahlungen nicht verweigern

Die deutschen Rententräger dürfen Bewohnern der umstrittenen Deutschensiedlung Colonia Dignidad in Chile die Auszahlung ihrer Renten nicht verweigern. Das entschied am Mittwoch das Bundessozialgricht (BSG) in Kassel mit Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage.

Die deutschen Rententräger dürfen Bewohnern der umstrittenen Deutschensiedlung Colonia Dignidad in Chile die Auszahlung ihrer Renten nicht verweigern. Das entschied am Mittwoch das Bundessozialgricht (BSG) in Kassel mit Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage. Danach können die Rententräger allerdings Auflagen machen, um sicherzustellen, dass das Geld an die Rentner und nicht an den deutschen Sektenführer Paul Schäfer geht. So dürften sie beispielsweise verlangen, dass Rentner ihren Scheck selbst bei einem nahegelegenen Konsulat abholen (AZ: B 5 RJ 38/99 R). Die 400 Kilometer südlich der chilenischen Hauptstadt Santiago gelegene Colonia Dignidad wurde 1961 von Schäfer gegründet. In Deutschland wird Schäfer wegen Kindesmissbrauchs gesucht.

Betroffen sind insgesamt 50 Rentner in der Colonia Dignidad, die Nachforderungenvon mehreren Millionen Mark geltend machen können. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und die für Chile zuständige Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz hatten ihre Zahlungen eingestellt, nachdem 1988 Experten bei einer Anhörung des Deutschen Bundestages eine physische und psychische Fremdbestimmung der Koloniebewohner bestätigt hatten. Flüchtlinge aus dem Lager berichteten zudem mehrfach von Unterdrückung und Kindesschändung.

Auch im konkreten Fall, der dem Gericht zur Entscheidung vorlag, hatte die LVA eine 1995 beantragte Rente verweigert, weil "begründete Verdachtsmomente" bestünden, dass das Geld dem Antragssteller nicht selbst zugute komme, sondern dem Sektenführer zufließe. Diese Befürchtung könne "nicht ganz von der Hand gewiesen werden", betonte nun das BGS. Doch eine Verweigerung komme allenfalls als letzte Möglichkeit in Betracht.

Die Kasseler Richter verwiesen stattdessen auf die Mitwirkungspflicht der Rentner, die nicht mit der Erfüllung der formalen Voraussetzungen für die Rente ende. So könne die LVA die Auszahlung der Rente mit Auflagen versehen und deutsche Konsulate oder die Verbindungsstellen nach dem deutsch-chilenischen Sozialversicherungsabkommen als Kontaktstellen nutzen. LVA und BfA wollen nun gemeinsam prüfen, welche Möglichkeiten ihnen das Kasseler Urteil lasse. Den Rentnern stehe das Geld grundsätzlich ja zu, sagten übereinstimmend Vertreter beider Rententräger. Es gelte aber zu verhindern, dass es an den Sektenführer Schäfer gehe.

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