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Transatlantischer Dialog: Die Bösen verfolgen, die Guten in Ruhe lassen

Im zweiten Teil des „Translatlantischen Dialogs“ wurde über den Umgang mit Daten in der Praxis diskutiert. Dabei herrschte viel Einigkeit – auch wenn sich der deutsche Datenschützer mehr Sorgen macht als seine US-Kollegin.

Die zweite Diskussionsrunde beim „Transatlantischen Dialog“ begann mit einigen Klarstellungen. Nancy Libin, Datenschutzbeauftragte im US-Justizministerium, betonte bei der Konferenz, zu der der Tagesspiegel gemeinsam mit der US-Botschaft in Berlin geladen hatte, dass die Daten von US-Bürgern „extrem stark“ geschützt seien – zumindest im Kontext der Strafverfolgung. Dies sei durch den 4. Zusatzartikel zur Verfassung garantiert, der „vor willkürlicher Durchsuchung, Festnahme und Beschlagnahme“ schützt. Bürger seien durch das Informationsfreiheitsgesetz berechtigt, von Behörden Auskunft zu erhalten, ob ihre Daten gesammelt werden – und können diese Daten im Zweifel korrigieren oder ergänzen.

Libin erklärte, US-Behörden dürften nicht einfach durchs Internet surfen und Profile einzelner Bürger erstellen. Personenbezogene Daten dürften nur gezielt und nach richterlicher Anordnung überwacht werden. Zudem dürfe niemand lediglich aufgrund einzelner Merkmale wie Religion oder ethnischer Zugehörigkeit überwacht werden, es müsse immer weitere konkrete Hinweise auf kriminelle oder terroristische Aktivitäten geben. Auch seien illegal erworbene Daten keine zulässigen Beweismittel vor Gericht. So genannte „Inspector Generals“ verfolgen Behördenmitarbeiter, die sich beispielsweise unberechtigt Zugang zu Datenbanken verschaffen.

Datenschützer Schaar: Wir müssen besser zusammenarbeiten

Peter Schaar, Bundesbeauftrager für Datenschutz und die Informationsfreiheit, begrüßte die Einführung dieser Inspektoren als Fortschritt. Im Bereich der unabhängigen Beaufsichtigung der Datensammler sieht er aber immer noch Verbesserungsbedarf – auch in Europa. Dabei seien weniger neue Gesetze oder zusätzliches Personal nötig als eine verbesserte Zusammenarbeit der einzelnen Behörden. Eine gute Zusammenarbeit mit den USA werde angesichts der sich ständig weiter entwickelnden Informationstechnologien, der Globalisierung und des Internets immer wichtiger. Da passte es ich, dass auch Nancy Libin ihre Entschlossenheit betonte, „eng mit unseren europäischen Freunden zusammen zu arbeiten“.

Auch in einem weiteren Punkt herrschte Einigkeit. Schaar stellte mit Blick auf die USA kritisch fest, dass nach dem 11. September 2001 mit dem Patriot Act Regelungen getroffen wurden, die weit, mitunter „viel zu weit“ gingen. Die Frage sei nun, wie mit dieser Situation umzugehen sei: „Wie schaltet man wieder auf Normalbetrieb um, wenn sich der Rauch verzogen hat? Wie kann man die außergewöhnlichen Befugnisse, die sich der Staat gegeben hat, zurückfahren?“

Schaar erkannte an, dass die Regierung von Barack Obama erste Schritte in diese Richtung unternehme. Und auch Nancy Libin betonte die Unterschiede der jetzigen Regierung zu derjenigen von George W. Bush. Obama sei gegenwärtig dabei, Amerika wieder auf Kurs zu bringen – auch im Bereich der Nationalen Sicherheit. So habe er angeordnet, das Gefangenenlager in Guantánamo zu schließen – auch wenn dies rechtlich noch nicht durchgesetzt ist – und ein striktes Folterverbot erlassen. Auch werde gegenwärtig im Kongress über neue Technologien und Bürgerrechtsschutz diskutiert.

Staatssekretär Schröder: Wir brauchen die Daten im Kampf gegen den Terror

Ole Schröder, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, unterstrich die Wichtigkeit von Datensammlung und -austausch für die „objektive Schutzpflicht“ des Staates gegenüber den Bürgern. Der Staat sollte dabei nicht als Bedrohung angesehen werden, sondern als die Instanz, die gegen die Bedrohung vorgehe. „Ohne Sicherheit keine Freiheit“, sagte Schröder. Und betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA – gerade in der vernetzten Welt. „Wir brauchen die Daten im täglichen Kampf gegen den Terrorismus.“

Trotzdem forderte auch Schröder ein „hohes Datenschutzniveau“, sagte aber auch: „Wir dürfen nicht mehr von unseren amerikanischen Freunden verlangen, als das, was wir auch von anderen EU-Ländern verlangen.“ In der Frage des vom Europäischen Parlament verhinderten Swift-Abkommens, das es den USA gestattet hätte, auf Kontodaten von europäischen Bürgern zurückzugreifen, hoffte Schröder auf eine „baldige neue Regelung“.

Nancy Libin kündigte denn auch einen neuen Entwurf für die Regelung an. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung hätte es in der US-Kommission – auch durch „formale und informelle Gespräche“ – durchaus Verständnis für die Position der Europäer gegeben. „Wir nehmen die Sorgen ernst“, versicherte Libin.

US-Datenschützerin Libin: Was wir nicht brauchen, wird gelöscht

Diese Sorgen brachte Datenschützer Schaar noch einmal auf den Punkt. In der Vergangenheit seien viel zu viele Informationen an die Amerikaner übertragen worden: „99,3 Prozent der Daten wurden nie angefasst – nur 0,7 Prozent waren überhaupt relevant!“ Bei zukünftigen Vereinbarungen müsse darauf geachtet werden, dass Daten „so gezielt wie möglich“ abgefragt würden, und immer bezogen auf konkrete Personen, die unter konkretem Verdacht stünden. Dabei sollten die Daten nicht einfach von den USA abgerufen werden können („pull“), vielmehr sollte die EU die Daten auf Anfrage zur Verfügung stellen („push“). Um diese Anfragen zu überprüfen, hält Schaar eine „unabhängige europäische Institution“ für notwendig. „Die Frage ist nur: Wer macht das?“

Schaars amerikanische Kollegin Libin konnte derweil in dem hohen Anteil irrelevanter Daten kein Problem erkennen: „Sie werden sowieso gelöscht“, nach fünf Jahren oder einer noch zu vereinbarenden Zeitspanne. Überhaupt schien die hoch diplomatische Libin keine aktuellen Schwierigkeiten im Datenschutzbereich zu sehen. Auf die Publikumsfrage, was die Datensammlung eigentlich bisher konkret genutzt habe, wies sie auf die islamistische Sauerland-Gruppe hin, die 2007 anhand von Daten der US-Behörden festgenommen werden konnte. Auch die Identität einiger für die Anschläge in Mumbai 2008 verantwortlicher Terroristen habe man feststellen können. Und der Times-Square-Bomber Faisal Shazad habe nur durch das Passagiernamensregister in letzter Minute gefasst werden können – er saß bereits im Flugzeug.

Bei aller Sensibilität ist Nancy Libin sich also mit Ole Schröder einig: „Datensammlung ist entscheidend für unsere Nationale Sicherheit.“ Letztlich gehe es doch nur um Folgendes: „Verfolge die Bösen – und lass die Guten in Ruhe.“

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