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Politik: Transparenz ist nicht alles

Politiker müssten besser bezahlt werden, dafür aber weniger Versorgungsprivilegien haben

Die leistungslosen Bezüge, die Hermann Josef Arentz vom Energiekonzern RWE erhalten hat, sind Bundestagsabgeordneten nach geltendem Recht verboten. Arentz war Chef der CDU-Arbeitnehmerorganisation. Der Landtagsabgeordnete musste nicht wegen Verletzung der Verhaltensregeln in Nordrhein-Westfalen gehen, sondern weil der moralische Anspruch seines Amtes verletzt war. Und es war kein Landtagspräsident, der unter Verweis auf die Vorschriften politisches Fehlverhalten sanktionierte. Ausschlaggebend war das Prinzip Öffentlichkeit.

Ein exemplarischer Fall. Der wichtigste Kontrollfaktor ist die öffentliche Aufmerksamkeit. Was Abgeordneten verboten ist, muss in Gesetzen fixiert sein. Sie schützen aber erstens nicht vor Schlawinern, die sie mutwillig umgehen, vor Politikern also, auf die das Wort vom Raffke passt. Und sie können zweitens eine Grauzone nicht zweifelsfrei beseitigen: Wenn wir Parlamente wollen, in denen sich die Lebenswirklichkeit und die Interessenkonflikte des Landes widerspiegeln, ist ein Verbot von Nebentätigkeiten – die einzige eindeutige Regelung – nicht wünschenswert. Schon jetzt gibt es ein beklagenswertes Übergewicht des öffentlichen Dienstes im Deutschen Bundestag. Das Prinzip Öffentlichkeit hat wiederum seine Tücken: Es sucht nach Eindeutigkeit und neigt zum pauschalen Urteil.

In dieser Woche spricht Bundestagspräsident Wolfgang Thierse mit den Fraktionen darüber, wie das Regelwerk für Abgeordnete überarbeitet werden muss. Kern der Debatte sollte sein: Abgeordnete und Unternehmen. Offenbar ist nach dem Flick-Skandal ein neues Dickicht in den Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik entstanden. Niemand würde das Wort von „der Pflege der politischen Landschaft“ noch in den Mund nehmen. Aber Unternehmen und Verbände wollen ihre Interessen durchsetzen, über Lobbyisten, Berater – und Politiker. Der Unterschied zwischen großen Unternehmen wie VW und Verbänden für die Durchsetzung alternativer Energien ist dabei nur graduell, nicht prinzipiell.

Das große Wort heißt Transparenz. Doch alles lässt sich auch damit nicht klären. Es ist transparent und trotzdem fragwürdig, dass der CDU-Abgeordnete Helmut Kohl nach seiner Kanzlerzeit jährlich 600 000 Mark Beraterhonorar von Leo Kirch erhalten hat. Wichtiger ist die Diskussion über die Einführung von Sanktionen, von (Geld-)Strafen also, die im deutschen System fehlen. Und wünschenswert wäre eine öffentliche Debatte, die den vernünftigsten Weg zu mehr Klarheit nicht verbaut: Er bestünde darin, die Politikerbezüge deutlich zu erhöhen, im Gegenzug aber harte Transparenzregeln einzuführen und die privilegierte Altersversorgung abzuschaffen.

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