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Politik: Trittin stellt sich quer: 35 Jahre Laufzeit für Atommeiler sind zuviel

BONN (Tsp). In der rot-grünen Koalition in Bonn zeichnet sich nach den Auseinandersetzungen um die Rentenreform und das Tauziehen um den Sparhaushalt des nächsten Jahres ein neuer heftiger Streit ab.

BONN (Tsp). In der rot-grünen Koalition in Bonn zeichnet sich nach den Auseinandersetzungen um die Rentenreform und das Tauziehen um den Sparhaushalt des nächsten Jahres ein neuer heftiger Streit ab. Die Grünen wollen die von Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) vorgeschlagenen Fristen für den Ausstieg aus der Atomenergie nicht hinnehmen. Eine Gesamtlaufzeit für Atomkraftwerke von 35 Jahren sei "nicht akzeptabel", sagte Umweltminister Trittin am Montag in Bonn. Für diesen Dienstag stehen im Kanzleramt neue Energiekonsensgespräche an. Daran soll auch Trittin teilnehmen. Er wies Gerüchte zurück, Bundeskanzler Schröder habe ihm mit Entlassung gedroht.

Im Zeichen der angespannten Koalitionsatmosphäre tagten am Montag die Gremien von SPD und Grünen. Für den Abend war eine Koalitionsrunde angesetzt, danach ein Treffen Schröders mit den Ministern. Dabei sollte auch über die strittigen Themen Atomausstieg und Rentenreform beraten werden. Trittin sagte nach einer Sitzung des Parteirates, mehr als 30 Jahre Laufzeit für die Atomkraftwerke sei mit den Grünen nicht zu machen. Nach Angaben der Grünen-Parteisprecherin Antje Radcke stellte der Parteirat fest, daß das von Müller mit den Energiekonzernen ausgehandelte Papier "in zentralen Punkten nicht unseren Positionen entspricht". Eine Laufzeit von 35 Jahren für die Atomkraftwerke sei "deutlich zu hoch". Die Entscheidung über den Ausstieg müsse Auswirkungen noch in dieser Legislaturperiode haben. Radcke bemängelte, daß das Müller-Papier in den Fragen der Sicherheitsüberprüfungen hinter die bisherigen Standards zurückfalle.

Mit Blick auf Berichte, Schröder habe Trittin mit Entlassung gedroht, sagte Radcke, Personaldebatten seien "absolut kontraproduktiv", egal auf welches Kabinettsmitglied sie sich bezögen. Die Koalition habe insgesamt ein Problem, da hätten ganz viele ihren Anteil dran. Sie halte es für völlig verfehlt, an einzelnen Stühlen zu sägen, das habe Trittin "nicht verdient". Auch Ko-Parteichefin Gunda Röstel stellte sich ausdrücklich hinter Trittin. Es gehe jetzt vor allem darum, Geschlossenheit zu zeigen. Dagegen kritisierte die Grünen-Finanzpolitikerin Christine Scheel das Auftreten Trittins. Im Bayerischen Rundfunk sagte sie unter Anspielung auf die Diskussion um den Atomausstieg: "Ob er da immer glücklich agiert hat, würde ich im Nachhinein erst mal bezweifeln." Ob Trittin seinen Posten weiter behalten wolle, sei seine Sache. Umgekehrt sei es aber auch "sehr problematisch", daß Trittin von Gesprächen über Atomausstieg und Energiepolitik ausgeschlossen worden sei, obwohl sein Ressort direkt betroffen sei.

Über die Rentenpläne von Bundesarbeitsminister Riester (SPD) ist noch keine Entscheidung gefallen. Bis frühestens Dienstag nachmittag geklärt werden, wie die Rentenanpassungen der Jahre 2000 und 2001 ausfallen. Offen blieb am Montag, ob in dieser Woche auch schon über die Grundzüge für eine Reform der Altersvorsorge einschließlich der Pflicht zur privaten Vorsorge entschieden wird oder ob diese Festlegungen vertagt werden. Ein Gesetzentwurf zur Rentenstrukturreform ist erst für den Herbst angekündigt.Am Vorabend hatte sich die SPD-Bundestagsfraktion grundsätzlich hinter die Vorschläge gestellt, aber vor einer Entscheidung noch Klärungsbedarf angemeldet.

Innerhalb der SPD gibt es noch keine Einigkeit über den angestrebten Sparhaushalt für das kommende Jahr. Dies sollte auch niemand wundern, sagte Bundesfinanzminister Eichel (SPD) nach einem Treffen der SPD-Spitze unter Leitung von Schröder. Die Einsparungen in Höhe von 30 Milliarden Mark stellten die größte Konsolidierung eines Bundeshaushaltes dar. Eichel erwartet eine Einigung spätestens bis zum 30. Juni.

Dagegen sind das Familienpaket und die Unternehmensteuerreform "weitgehend klar" in der SPD-Bundestagsfraktion. Dies berichtete der Vize-Fraktionschef Poß. Eichel habe vorgetragen, daß es bei der Unternehmensteuerreform eine Nettoentlastung von acht Milliarden Mark geben solle. Außerdem sei klar, daß das Kindergeld im nächsten Jahr um 20 Mark auf 270 Mark monatlich für das erste und zweite Kind erhöht werde. Über die Höhe des Kinderfreibetrags werde noch beraten. Beabsichtigt ist auch, künftig Kapitallebensversicherungen wie andere Geldanlageformen mit 25 Prozent zu besteuern.

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