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Politik: Tschernobyl: Letzter Reaktor abgeschaltet

Mehr als 14 Jahre nach der Explosion im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl ist dessen letzter Reaktor am Freitag endgültig abgeschaltet worden. Den Befehl dazu gab der ukrainische Präsident Leonid Kutschma bei einer Feier in Kiew.

Mehr als 14 Jahre nach der Explosion im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl ist dessen letzter Reaktor am Freitag endgültig abgeschaltet worden. Den Befehl dazu gab der ukrainische Präsident Leonid Kutschma bei einer Feier in Kiew. Darauf beendete ein Ingenieur im Kontrollzentrum des etwa 125 Kilometer entfernten Atomkraftwerks per Knopfdruck den Betrieb der Anlage. Am 26. April 1986 war der Reaktor Vier des Kraftwerks explodiert und hatte weite Teile der Ukraine und Weißrusslands verseucht. Die radioaktive Strahlung wird für den Tod Tausender Menschen seit dem Unglück verantwortlich gemacht. Der letzte verbliebene Block Drei lieferte bis zuletzt rund fünf Prozent des Stroms in der Ukraine.

Etwa Hundert der 6000 Kraftwerksarbeiter verfolgten das Abschalten auf einem großen Bildschirm. Viele hatten Tränen in den Augen, da ihnen wegen des Arbeitsplatzverlustes eine unsichere Zukunft bevorsteht. "Wir verachten Leonid Kutschma", sagte einer der Arbeiter. "Worüber soll ich mich denn freuen?", fragte der 42-jährige Anatoli Fedschenko. "Ich habe hier zwölf Jahre gearbeitet und jetzt muss weg."

Kutschma sagte, sein Land sehe die Schließung des Atomkraftwerks auch als moralische Verpflichtung. Jahrelang hatte das Ausland die Ukraine gedrängt, alle verbliebenen Reaktoren der Anlage in Tschernobyl abzuschalten. Kutschma lenkte in diesem Frühjahr ein und bestätigte die Stilllegung. Die G7-Staaten der führenden Industrieländer hatten bereits vor fünf Jahren der Ukraine in einem Abkommen Finanzhilfen von 2,3 Milliarden Dollar zur Schließung der Anlage zugesichert.

Die endgültige Abschaltung der Atomanlage wurde in Deutschland mit Erleichterung aufgenommen worden. Zugleich kritisierten die Bundesregierung und Umweltschützer am Freitag aber die Fertigstellung zweier Ersatz-Reaktoren in der Ukraine mit Hilfe westlicher Kredite.

Die Stilllegung von Tschernobyl mehr als 14 Jahre nach dem Unglück sei "überfällig" gewesen, erklärte Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne). Das Unglück 1986 habe "klar vor Augen geführt, dass die Nutzung der Atomenergie mit unkalkulierbaren Risiken verbunden ist". Tschernobyl markiere den "Anfang vom Ende der Atomkraft". Die Bundesregierung betrachte die Fertigstellung der beiden Ersatzreaktoren Rowno und Khmelnizky nicht als sinnvolle Lösung für die Energieprobleme der Ukraine, sagte Trittin. Vorrang müsse das Energiesparen, ein effizienter Betrieb konventioneller Kraftwerke und die Nutzung erneuerbarer Energien haben.

Für die beiden Nachfolge-Reaktoren hatte die Osteuropa-Bank bei Enthaltung Deutschlands einen Kredit gebilligt. Auch die Europäische Union hat für den Bau ein Darlehen gewährt. Umweltschützer hatten kritisiert, dass Deutschland angesichts der Sicherheitsbedenken nicht ein klares Nein zur Finanzierung der neuen Reaktoren abgegeben habe.

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