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Politik: Tunesien kommt nicht zur Ruhe EU fordert Zurückhaltung von Sicherheitskräften

Nach wochenlangen schweren Ausschreitungen im nordafrikanischen Urlaubsland Tunesien, die auch am Dienstag weitergingen, hat die Europäische Union erstmals vorsichtige Kritik an Staatspräsident Zine el Abidine Ben Ali (74) geäußert. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte: „Wir sind besorgt über die jüngsten Ereignisse“, die EU fordere eine Untersuchung der Vorfälle.

Nach wochenlangen schweren Ausschreitungen im nordafrikanischen Urlaubsland Tunesien, die auch am Dienstag weitergingen, hat die Europäische Union erstmals vorsichtige Kritik an Staatspräsident Zine el Abidine Ben Ali (74) geäußert. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte: „Wir sind besorgt über die jüngsten Ereignisse“, die EU fordere eine Untersuchung der Vorfälle. Sie rief Tunesiens Sicherheitsbehörden zur Zurückhaltung und zum „Respekt der fundamentalen Freiheiten auf“. Verhaftete „Blogger, Journalisten, Rechtsanwälte und andere festgenommene Personen, die friedlich demonstriert haben“, müssten unverzüglich freigelassen werden. Tunesien, mit dem die EU gerade eine engere wirtschaftliche Partnerschaft aushandelt, gilt als Polizeistaat ohne Meinungsfreiheit und Demokratie.

Bei den schweren Unruhen im Zentrum des Landes sind nach Angaben von Menschrechtsgruppen bisher mindestens 35 Menschen getötet worden, viele davon durch scharfe Schüsse der Polizei. Die Krankenhäuser seien mit Verletzten überfüllt. Andere tunesische Quellen sprachen gar von 70 Toten. Mehrere Städte nördlich der Hauptstadt Tunis werden nach Augenzeugenberichten buchstäblich von Polizei und Militär belagert, um die Aufstände unter Kontrolle zu bekommen. Rauchsäulen stehen über den Orten, öffentliche Gebäude und Barrikaden brennen, es seien Schüsse zu hören. Die Rede ist von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“. Am Dienstag erreichten die Unruhen Vororte der Hauptstadt Tunis.

Der seit 23 Jahren herrschende Ben Ali ließ zudem alle Schulen und Universitäten, die Zentrum vieler Protestaktionen junger Tunesier sind, auf unbestimmte Zeit schließen. Zehntausende demonstrieren seit Tagen für bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven. Vor allem in der Provinz Sidi Bouzid schlugen die Proteste in Gewalt um. Die Polizei soll mancherorts wahllos in die Menge geschossen haben. Auch das Versprechen Ben Alis, 300 000 Arbeitsplätze für die vielen joblosen Hochschulabsolventen zu schaffen, konnte die soziale Revolte nicht beenden. Zumal seine Bewertung der gewaltsamen Unruhen als „terroristische Akte“ den Zorn der Menschen auf der Straße eher noch anfachte.

Mindestens 30 Prozent der jungen Akademiker sind ohne Beschäftigung. „Diese jungen Leute sind keine Terroristen“, sagte der Oppositionspolitiker Ahmed Nejib Chebbi, „sie wollen nur Arbeit und ein bisschen Freiheit.“ Die Mehrheit der rund 10,5 Millionen Tunesier glaube Ben Alis Versprechungen nicht mehr. „Er hat schon zu viele Zusagen gebrochen.“ Unbestätigten Berichten zufolge sollen etliche Mitglieder des Herrschaftsclans von Ben Ali das Land verlassen haben.

Die Außenministerien mehrerer europäischer Länder riefen Touristen zu erhöhter Wachsamkeit auf. Urlauber seien zwar nicht Ziel der Proteste. Aber die Touristen sollten Reisen in die Unruheprovinzen, vor allem Sidi Bouzid sowie Kasserine, meiden.

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