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Wolfgang Böhmer: "Über das Ziel besteht keine Einigkeit"

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) zur Arbeit der Bundesregierung.

Herr Böhmer, wird Deutschland gut regiert?



Ich würde sagen, Deutschland wird nicht schlecht regiert. Aber wahr ist auch: Manches könnte besser funktionieren.

Sie gelten als Politiker, der sich nicht in Beschönigungen flüchtet. Wenn 72 Prozent der Deutschen mit der Arbeit der Koalition unzufrieden sind, muss eine Menge schieflaufen in Berlin. Was?

Die Koalitionspartner sollten die Probleme, die in einem Regierungsbündnis ausdiskutiert werden müssen, nicht auf dem Marktplatz austragen. Dafür gibt es Kabinettssitzungen und Koalitionsrunden. Und da muss man sich dann hinsetzen und darauf verständigen, dass man Probleme zu lösen hat und nicht fürs Schaulaufen gewählt worden ist.

War der schwarz-gelbe Dauerstreit nicht bereits im Koalitionsvertrag angelegt, aus dem jeder Partner herauslesen kann, was ihm gerade passt?

Tatsache ist: Diese Koalition hat den Koalitionsvertrag zwar in kurzer Zeit abgeschlossen, dabei aber die eigentlichen Kernprobleme nicht geklärt, sondern mit geschickten Formulierungen überdeckt. Nun werden über die Medien nachholende Koalitionsverhandlungen geführt. Das schadet allen Beteiligten.

Warum gelingt es Kanzlerin Angela Merkel nicht, für Geschlossenheit in der Koalition zu sorgen?

Auch für eine Kanzlerin sind die Durchgriffsmöglichkeiten beschränkt. Man kommt in einer Koalition mit Basta-Politik nicht weit. Also muss die Kanzlerin versuchen, die Probleme durch kluges Moderieren zu lösen. Und ich weiß: Sie gibt sich unendlich viel Mühe.

Welchen Anteil trägt Horst Seehofers CSU an der Lage der Koalition?

Die CSU führt Debatten, die es in jeder demokratischen Partei gibt. Leider geschieht dies in der Öffentlichkeit. Man kann ja über alles streiten, aber man muss dies am Tisch tun und dann so viel innere Disziplin haben, die gemeinsam gefundenen Lösungen nach außen auch zu vertreten.

Tut sich Guido Westerwelle einen Gefallen damit, wenn er für seine FDP die Rolle des Antreibers in der Koalition beansprucht?

Kleine Koalitionspartner sagen immer, sie seien der Motor der Koalition. Das geht in Ordnung, so lange die Richtung stimmt, in die der Wagen fährt. Das Problem ist nur: Die FDP lässt den Motor im Leerlauf hochdrehen, weil über das Ziel der Fahrt keine Einigkeit besteht.

Waren die Steuersenkungsversprechen von Union und FDP im Bundestagswahlkampf so etwas wie die Ursünde dieser Koalition?

Steuersenkungen sind nichts Schlechtes. Deshalb haben alle drei Koalitionspartner diese Absicht auch in ihre Programme aufgenommen. Allerdings müssen wir immer darauf achten, wann und in welcher Höhe wir uns Steuersenkungen leisten können. Dass Summen und Zeitpunkt in den Koalitionsverhandlungen genannt wurden, war ein methodischer Mangel. Wer so konkrete Ziele benennt, ohne zu wissen, ob und wann er sie einhalten kann, schürt Erwartungen, die später unweigerlich zu Frust führen müssen.

Welchen Spielraum sehen Sie jetzt für weitere Entlastungen?

Ich habe nichts gegen die Senkung der Steuern um weitere 19 Milliarden Euro. Allerdings geht das erst dann, wenn wir aus der Talsohle der Konjunktur heraus sind und wieder Steuermehreinnahmen haben, die wir verteilen können. Weder den Bundesländern noch den Kommunen sind gegenwärtig Steuermindereinnahmen durch Gesetzesbeschlüsse zuzumuten. Wenn die Wirtschaft 2011 oder 2012 anzieht und die Steuereinnahmen wieder auf dem Niveau von 2008 fließen, dann kann man über umfangreiche Entlastungen reden. Aber nur dann.

Das heißt, raschen Steuersenkungen, die überwiegend durch Sparmaßnahmen finanziert werden müssten, würde das Bundesland Sachsen-Anhalt im Bundesrat nicht zustimmen?

Ein solches Vorgehen würden wir im Bundesrat nicht unterstützen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es in der Länderkammer für derartige Steuersenkungsvorhaben eine Mehrheit gibt.

Wie wollen Sie das der FDP klarmachen, die Steuersenkungen zum Kern ihrer Politik gemacht hat?

Ich will der FDP das Ziel nicht ausreden. Ich sage lediglich: Der Zeitpunkt, an dem Steuersenkungen zumutbar sind, ist noch nicht gekommen. Alles andere würde auch der FDP nichts nützen. Denn sinken die Steuereinnahmen durch Bundesgesetze zu rasch, dann müssen Bund, Länder und Kommunen, wie im Augenblick in Griechenland, massiv Ausgaben im Sozialbereich kürzen. Und was das für die Regierungspartei FDP bedeuten würde, das kann man gerade in Athen besichtigen. Griechische Verhältnisse – das kann auch die FDP nicht wollen.

Muss die Union über andere Bündnisse nachdenken, wenn die FDP hart bleibt?

Neue Bündnisse würden die gegenwärtige Lage nicht verbessern. Aber eine noch stärker zugespitzte Diskussion über Steuersenkungen auch nicht. In einem Regierungsbündnis kann es nur Entscheidungen geben, die alle Partner mittragen. Kein einzelner Partner kann Lösungen gegen den Willen der anderen erzwingen.

Die Gesundheitspolitik ist das nächste Konfliktfeld der drei Koalitionsparteien. Wie sollen Lösungen zustande kommen, wenn CSU und FDP keine Kompromissbereitschaft erkennen lassen und der bayerische Gesundheitsminister Söder selbst die Regierungskommission als überflüssig bezeichnet?

Herr Söder spricht nicht für die Bundesregierung. Und ansonsten darf ich daran erinnern, dass der Vorsitzende der CSU die Koalitionsvereinbarung unterschrieben hat, in der die Bildung der Kommission geschrieben stand.

Was würde es für Schwarz- Gelb im Bund bedeuten, wenn die christlich-liberale Koalition in NRW am 9. Mai abgewählt würde?

Das würde das politische Gestalten der schwarz-gelben Koalition im Bund schwerer machen, weil es dann keine Ländermehrheit mehr gäbe. Aber auch das wäre nicht der Weltuntergang.

Wäre es ein Weltuntergang, wenn Schwarz-Gelb im Bund von einer neuerlichen großen Koalition abgelöst würde?

Darüber nachzudenken besteht kein Anlass. Diejenigen, die sich jetzt zu einer Koalition zusammengefunden haben, würden aus einem Scheitern geschädigt hervorgehen. Ich bin sicher, dass jeder einzelne sich seiner Verantwortung für das Ganze bewusst ist.

Das Gespräch führten Stephan Haselberger und Antje Sirleschtov.

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