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Politik: Übers Ziel hinaus

In der CDU regt sich Unmut über Kochs Forderung nach dem Lügenausschuss: Er könnte zum Bumerang werden

Von Robert Birnbaum

Das Gemurre konnte, wer wollte, schon seit geraumer Zeit hören. Die Idee des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), die Regierung mit einem Lügen-Untersuchungsausschuss in die Bredouille zu bringen, findet in der Union keineswegs nur glühende Anhänger. Jetzt ist der Ärger aber öffentlich geworden – und das ausgerechnet aus dem als konservativ eingestuften Landesverband Baden-Württemberg. „Einhellig“, berichtete die „Stuttgarter Zeitung“ am Freitag , habe der Landesvorstand auf seiner letzten Sitzung das Vorhaben kritisiert. Statt in der Vergangenheit herumzuwühlen, solle die CDU besser Konzepte für die Zukunft entwickeln, zitiert die Zeitung aus dem gemeinhin als diskret bekannten Gremium. Auch die Sorge sei laut geworden, dass der Ausschuss für die CDU zum „Bumerang“ werden könnte.

Aber auch Koch selbst war Zielscheibe von Kritik: CDU-Vize Anette Schavan habe sich empört, dass Koch die Fraktionsführung und deren Vorsitzende Angela Merkel regelrecht erpresst habe. Da ist etwas dran. Koch hat, als er den Berlinern den Lügenausschuss massiv ans Herz legte, deutlich durchblicken lassen, wem er gegebenenfalls eine Niederlage bei der Landtagswahl in Hessen am 2. Februar anhängen werde. Merkel, wiewohl selbst vom Sinn eines solchen Ausschusses ganz und gar nicht überzeugt, entschied sich zum Nachgeben.

Ob das Gemurre Folgen hat, ist schwer zu sagen. Öffentlich werden, darauf hatten sich die Baden-Württemberger verabredet, sollte es eigentlich nicht. In der CDU/CSU-Fraktion wird dennoch nicht damit gerechnet, dass die Abgeordneten am Dienstag überraschend doch nicht die Einsetzung des Ausschusses beschließen werden. Immerhin aber, sagt ein einflussreiches Fraktionsmitglied, das selbst dem Ausschuss skeptisch gegenübersteht, könnte das Gemurre dazu beitragen, dass aus der Untersuchung kein grob gestrickter „Klamauk“ wird.

Der Untersuchungsauftrag, den die Union dem Gremium geben will, geht in Richtung solcher Selbstbeschränkung. Der designierte Obmann Peter Altmaier sagte dem Tagesspiegel, auf bewusste Lügen untersucht werden solle nicht etwa der Parteien-Wahlkampf von SPD und Grünen. Überprüft werden solle, ob die Regierung in ihrem „exekutiven Handeln“, also mit amtlichem Anspruch falsche Fakten verbreitet habe. Konkret: Hat Finanzminister Hans Eichel wider besseres Wissen bis zum Wahltag und auch gegenüber der EU-Kommission in Brüssel behauptet, die Maastricht-Kriterien seien nicht in Gefahr? War das Loch in der Rentenkasse schon vor der Wahl unübersehbar? Waren die Steuerausfälle in Finanzministerium und Kanzleramt bekannt?

Dass auch eine Regierung nicht gezwungen ist, ihre Worst-Case-Szenarios öffentlich auszubreiten, weiß die Union natürlich. Aber, sagt Altmaier: „Es ist ein Unterschied, ob ein Minister aus einer Vielzahl unterschiedlicher Einschätzungen sich die günstigste heraussucht oder ob er etwas sagt, wofür es in seinem Haus keine Basis gibt.“ Noch vor Weihnachten solle der Ausschuss die Arbeit aufnehmen – erste Zeugenvernehmungen gäbe es dann also vor den Wahlen.

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