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Politik: Umstrittene Siedlerhilfen

Ein Kompromiss schien greifbar, dennoch zerbrach die Regierungskoalition in Israel – im Frühjahr soll es Neuwahlen geben

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

Nach dem Rücktritt der Minister der Arbeitspartei am Mittwoch sind vorzeitige Neuwahlen im Frühjahr als direkte Folge praktisch unausweichlich. Formell konnten sich Ministerpräsident Ariel Scharon und die Arbeitsparteiführung unter Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser nicht über das Staatsbudget einigen, doch praktisch ging es um die Siedlungen, deren Finanzhilfen und Regierungsinvestitionen, welche die Arbeitspartei kürzen wollte. Noch am späten Mittwochnachmittag war von zwei Anwälten zwischen Scharons Likud und Ben-Eliezers Arbeitspartei ein Kompromiss ausgehandelt worden, der als unterschriftsreif bezeichnet wurde. Doch zehn Minuten vor der entscheidenden Abstimmung am frühen Abend – nach der ersten Lesung des Haushaltes im Knesset-Plenum – platzten die Gespräche zwischen den Parteiführungen; Ben-Elieser reichte sein Rücktrittsschreiben ein, ihm folgten Außenminister Schimon Peres und danach die restlichen Arbeitsparteiminister.

Tatsächlich trennten Scharon und Ben-Elieser nur ein oder zwei Worte, mit denen der Arbeitsparteichef eine Reduzierung der Siedlungsausgaben zu Gunsten der Bedürftigen durchsetzen wollte. Scharon beharrte jedoch darauf, dass weder die Siedlungen in der Einigung erwähnt würden, noch von einer Angleichung der Hilfe für alle Gesellschaftssektoren die Rede sein dürfe.

Gemäß dem Kompromissvorschlag sollte ein Ministerausschuss unter Scharon mit Ben-Elieser, Peres und Likud-Finanzminister Silvan Schalom die sachlichen Kriterien für die staatlichen Zuwendungen und deren Angleichung für die diversen Gesellschaftsgruppierungen festlegen. Die Arbeitspartei hatte eine bessere Siedlerhilfen für sozial schwache Entwicklungsorte, Armenviertel sowie die verschuldeten Kibbuzim (Gemeinschaftssiedlungen) und Moschwaim (Genossenschaftssiedlungen) gefordert.

Scharon wollte die einzelnen Sektoren nicht genannt haben und fürchtete wohl die Transparenz in Bezug auf die Milliardensummen, welche in die Siedlungen fließen. Dies wäre nicht nur ein innenpolitisches Problem gewesen, weil die politische Linke endlich die Zahlen erfahren hätte, sondern hätte auch zu schweren außenpolitischen Belastungen geführt, wenn anhand der Zahlen weltweit bekannt geworden wäre, dass die israelische Regierung entgegen ihren öffentlichen Versicherungen eine äußerst intensive Siedlungstätigkeit betreibt.

Scharon kann nun versuchen, mit Hilfe der rechtsnationalistischen Mini-Parteien eine kleine Koalition zu bilden, doch sind ausgestreckte Fühler zurückgewiesen worden. Die zweite, etwas realistischere Alternative ist der Versuch, mit einer Minderheitsregierung über die Runden zu kommen. Am wahrscheinlichsten ist aber, dass er eine Übergangsregierung bildet bis zu vorzeitigen Neuwahlen im nächsten Frühjahr.

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