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Umweltgesetze lockern: Vergiftetes Klima in Kanada

Kanadas Regierungschef Harper will Umweltgesetze ändern, damit die Industrie Großprojekte leichter umsetzen kann – Naturschützer protestieren.

Die Förderung der Ölsand- und Bergbauindustrie steht bei Kanadas Premierminister Stephen Harper ganz oben auf der Prioritätenliste. Jetzt sollen in Kanada Umweltgesetze geändert werden, um industrielle Großprojekte schneller genehmigen zu können. Die Mitwirkung von Umweltverbänden, die von der Regierung scharf kritisiert werden, wird eingeschränkt. Umweltschützer werfen der Regierung einen „Krieg gegen die Umwelt“ vor. Das Klima ist vergiftet.

Der für Bodenschätze zuständige Minister Joe Oliver führt die Angriffe gegen „Umwelt- und andere radikale Gruppen“ an, die die Belieferung neuer Märkte mit kanadischen Produkten blockieren wollten. Der konservative Senator Mike Duffy nannte Umweltorganisationen, die Proteste gegen Industrieprojekte unterstützen, „anti-kanadisch“. Umweltminister Peter Kent warf Umweltorganisationen vor, für ausländische Spender „Geldwäsche“ zu betreiben und das Geld „gegen kanadische Interessen“ einzusetzen.

Der renommierte Umweltschützer David Suzuki wirft Oliver „Hetzreden“ vor. John Bennett vom Sierra Club zieht Vergleiche mit der Hetze gegen Kommunisten und „unamerikanische Umtriebe“ in den USA der 50er Jahre: „Dies ist McCarthyismus.“ Der 83-jährige Kanadier Maurice Strong, der Unternehmer in der Ölindustrie und Leiter des UN-Umweltprogramms UNEP war, attestiert Harper, er führe weltweit eine der am stärksten gegen die Umwelt gerichteten Regierungen.

Die Konservativen sprechen von einer „verantwortungsvollen Förderung von Rohstoffen“. Ölsand und Bergbau wurden zum „nationalen Interesse“ erhoben. Umweltschutz und Ressourcenentwicklung gingen „Hand in Hand“ und würden Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen. Nach Regierungsangaben beschäftigt der Rohstoffsektor 760 000 Menschen und plant in den nächsten zehn Jahren Investitionen von bis zu 500 Milliarden Dollar.

Ausgebaut werden soll das Pipelinesystem, durch das Öl aus dem Teersandgebiet Albertas an die Westküste fließen soll: Enbridge will die „Northern Gateway Pipeline“ bauen, die Öl durch die Rocky Mountains an den Pazifik bringt, wo es auf Tanker geladen und nach Asien gebracht werden soll. Dagegen wenden sich Gemeinden, Indianer und Umweltschützer. Kinder Morgan will seine Trans Mountain Pipeline bis nach Vancouver erweitern. Die meisten Umweltverbände wollen die Entwicklung nicht stoppen, aber bremsen und umweltverträglicher gestalten.

Das Genehmigungsverfahren für solche Projekte soll nun beschleunigt werden, doppelte Prüfungen durch Bundes- und Provinzbehörden sollen vermieden werden. Entscheidungen dürften nicht „unnötig verzögert“ werden, sagt Harper. Die Umweltprüfung werde „rigoros“ sein, aber das müsse nicht Jahre dauern. Die Umweltverbände werten die Pläne als Versuch, Großprojekte durchzusetzen. „Die Beschleunigung der Überprüfung von Megaprojekten schränkt die Teilnahme der Öffentlichkeit stark ein“, kritisiert Bennett. Die Pläne sehen auch vor, künftig nur direkt Betroffene an den Umweltverfahren teilnehmen zu lassen. Es sei nicht notwendig, dass Kanadier, die außerhalb des Projektgebiets leben, bei Anhörungen zu Wort kommen, meint Oliver. Da Großprojekte oft in schwach bevölkerten Regionen liegen, könnte dies zu einer drastischen Einschränkung der Mitwirkung von Bürgern führen. „Kanadier haben das Recht, sich um das Ökosystem der Arktis oder neue Quellen von Umweltverschmutzung zu sorgen, auch wenn sie nicht in direkter Nachbarschaft wohnen“, erklärt die Grünen-Abgeordnete Elizabeth May.

Die einschneidenden Änderungen von mehr als 60 Gesetzen wurden in das Haushaltsgesetz aufgenommen, statt sie separat einzubringen und eine darauf konzentrierte Debatte zuzulassen. „Dies ist ein Krieg gegen Umwelt und Demokratie“, sagt Bennett. Nachdem Kanada im Dezember als erster Industriestaat aus dem Kyoto-Protokoll ausgetreten war, wird nun auch das Gesetz über die Umsetzung des Kyoto-Protokolls aufgehoben.

Während auf der einen Seite Haushaltsmittel im Umweltschutz gestrichen werden, stellt die Regierung der Steuerbehörde acht Millionen Dollar zur Verfügung, um gemeinnützige Organisationen genauer darauf zu überprüfen, ob sie die Steuervorschriften einhalten. Damit sehen sich nicht nur Umweltorganisationen, sondern auch andere gemeinnützige Organisationen am Pranger, deren Lobbyarbeit dem Kurs der Regierung zuwiderlaufen könnte. Sie werfen der Regierung nun vor, auf diese Weise Kritiker einschüchtern und die demokratische Debatte unterbinden zu wollen.

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