zum Hauptinhalt

UN-Tribunal: Milosevic starb an Herinfarkt

Der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic ist einem Herzinfarkt erlegen. Das teilte das UN-Tribunal in Den Haag nach einer Obduktion des Leichnams mit.

Den Haag/Belgrad - Zwei verschiedene Herzleiden hätten zu dem Versagen des Organs geführt. Der gerichtsmedizinische Bericht sei vorläufig. Das Ergebnis einer Laboruntersuchung auf mögliche Giftstoffe im Körper Milosevics steht der Mitteilung zufolge noch aus. Milosevics Leichnam soll noch an diesem Montag seiner Familie übergeben werden, hieß es weiter. Der frühere Staatschef Jugoslawiens war am Samstag tot in seiner Zelle des UN-Gefängnisses in Den Haag aufgefunden worden.

Leiche Milosevics war am Sonntag von niederländischen Gerichtsmedizinern im Beisein serbischer Pathologen obduziert worden. Anhänger Milosevics hatten das Gericht für dessen Tod verantwortlich und sogar Mordvorwürfe erhoben Seine Familie forderte eine unabhängige Obduktion. "Die Angehörigen trauen der Autopsie in Den Haag nicht und fordern, dass Ärzte aus Russland zugelassen werden", sagte der Bruder des Toten, Borislav Milosevic, der Agentur Interfax in Moskau. Noch ist offen, wann und wo der ehemalige Staatspräsident begraben wird.

Der Pflichtverteidiger des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten, der britische Jurist Steven Kay, hatte zuvor einen Selbstmord eindeutig ausgeschlossen. Kay sagte am Samstag über seinen Mandanten: "Er sagte mir vor einigen Wochen: "Ich habe diese Sache nicht so lange ausgestanden, um mir irgendetwas anzutun"."

Milosevic, der immer wieder wegen Herzbeschwerden und Blutdruckproblemen verhandlungsunfähig war, sei stets medizinisch gründlich untersucht und überwacht worden, sagte die Chefanklägerin des Tribunals, Carla del Ponte, am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Den Haag. Das Gericht habe ihm vor Weihnachten den Wunsch verweigert, in Moskau medizinisch behandelt zu werden, denn die Behandlung sei auch in Den Haag möglich gewesen. Zudem habe man befürchtet, Milosevic könnte aus Moskau nicht mehr zurückkehren.

"Der Tod Milosevics stellt für mich eine völlige Niederlage dar", sagte Del Ponte. Als Anklägerin habe sie den Prozess zu Ende führen wollen. Nun seien viele Jahre der Arbeit vergeblich gewesen. Der Tod des Angeklagten habe sie verärgert und wütend gemacht. Die Schweizerin kündigte an, in anderen Verfahren zu den selben Anklagepunkten, die auch Milosevic zur Last gelegt wurden, den Nachweis zu führen, wie der Völkermord an den bosnischen Muslimen geschehen konnte. Erneut verlangte sie die Auslieferung der ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic und Ratko Mladic an das Tribunal.

Die Europäische Union nahm den Tod des Ex-Politikers zum Anlass, die Menschen in Serbien zur Aussöhnung aufzurufen. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, die Bemühungen sollten erneuert werden, auf dem Balkan für Frieden und Stabilität zu sorgen. Der Serbe Milosevic gilt als der maßgebliche Anstifter der Kriege in den 1990er Jahren auf dem Balkan, bei denen zehntausende Menschen bei so genannten ethnischen Säuberungen ums Leben kamen. Die US-Regierung sprach sich für eine Fortsetzung der Arbeit des Tribunals aus.

Milosevic war seit Ende Juni 2001 in Haft. Seit Februar 2002 lief der Völkermordprozess gegen ihn wegen der Bürgerkriege nach dem Auseinanderfallen des Vielvölkerstaates Jugoslawiens. Es war beabsichtigt, die mündliche Verhandlung im Mai zu beenden. Das Gericht hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass ihm eine lebenslange Haft droht. (tso/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false