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Politik: Und was ist mit den Putzfrauen?

SCHWARZARBEIT

Von Ursula Weidenfeld

Jetzt setzt die Bundesregierung selbst auf Nachbarschaftshilfe: Wer sieht, dass nebenan eine Putzfrau arbeitet, und den Verdacht hegt, dass dafür weder Steuern noch Sozialabgaben gezahlt werden, soll Meldung machen. So ermuntert die Regierung die Staats- und Steuerbürger zur Zusammenarbeit mit dem Zoll, der Polizei und der Steuerfahndung. Das Unrechtsbewusstsein für Schwarzarbeit im privaten Bereich soll geschärft werden. Schwarzarbeit in Haushalten wird eine Straftat, die mit bis zu 1500 Euro Strafe geahndet werden kann. So steht es in dem Entwurf für ein Gesetz, das schon in seinem Ankündigungsstadium Zorneswallungen und Applaus, harsche Ablehnung und moralische Unterstützung gefunden hat. Weil es alle trifft – wenn nicht als Arbeitnehmer und Arbeitgeber, so doch als gesetzestreue Bürger, als frustrierte Steuerzahler, oder als um Arbeit betrogene Arbeitslose.

Jeder muss seine Steuern und Abgaben bezahlen. Niemand darf die Segnungen des Sozialstaats – wie die Familienmitversicherung und die Sozialhilfe – missbrauchen, um für sich selbst einen optimalen Finanzierungsmix aus Schwarzarbeit und dem Geld vom Amt herzustellen. Wer den Staat ausplündert, verhält sich unmoralisch. Und: Wer nicht legal in Deutschland lebt, darf hier nicht arbeiten. Auch nicht putzen. So einfach ist das.

So einfach könnte es sein. Es ist ja nicht so, dass sich ein Volk von Kriminellen gegen den eigenen Staat verschworen hätte. Schwarzarbeit im privaten Bereich wird eher deshalb toleriert, weil die meisten Steuerzahler glauben, dass der Staat ohnehin mehr von ihnen fordert, als er darf. Doch schwarz geputzt wird vor allem deshalb, weil es kaum noch bezahlbare legale Alternativen gibt. Trotz aller Bemühungen der Bundesregierung, mit Minijobs und Pauschalverfahren hier legale Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, arbeiten immer noch 98 Prozent der privaten Putzfrauen schwarz.

Jeder, der versucht, eine Putzhilfe mit Steuerkarte zu finden, merkt, dass das fast unmöglich ist. Für die meisten Interessenten lohnt sich ein ehrlicher Job nicht. Selbst dann nicht, wenn er zu den niedrigen Pauschalsteuern und -abgaben abgeschlossen wird. Weil auch die Möglichkeiten für Sozialhilfe-, Renten- oder Arbeitslosengeldempfänger, etwas dazuzuverdienen, trotz aller Reformen immer noch zu gering sind. Wenn aber für jeden Euro Zuverdienst 70 Cent Sozialhilfe gestrichen werden, wird eine weiße Weste für Niedrigstverdiener ein teurer Luxus. Längst sind die Lohnstrukturen im illegalen Bereich zum Maß der Dinge auch bei ehrlicher Arbeit geworden. 7,50 Euro netto in der Stunde wollen auch Arbeitskräfte mit Steuerkarte in Berlin verdienen. Je nachdem, ob eine Putzhilfe ledig oder verheiratet ist, ob ihr Familieneinkommen hoch oder niedrig ist, verdoppeln oder verdreifachen sich die Kosten für den Arbeitgeber – so wird die weiße Weste auch ihn unerschwinglich.

Deshalb stehen diese Jobs nicht mehr legal für niedrig qualifizierte Arbeitslose zur Verfügung, und es stehen keine niedrig qualifizierten Arbeitslosen für diese Arbeitsplätze zur Verfügung. Ein Teufelskreis, der die Branche zur Illegalität verdammt – auch wenn noch so viele dort ehrliche Dienstleistungen anbieten und nachfragen wollen. Schlimmer noch: Bevor all die polnischen und georgischen Putzhilfen in Berlin Steuern bezahlen können, müssen sie hier leben dürfen. Da helfen auch keine Minijobs.

Abgesehen davon, dass es ein bisschen bizarr ist, wie schnell die rot-grüne Bundesregierung den Polizei- und Denunziantenstaat als Mittel der Wahl wieder belebt, gegen den sie in ihrer eigenen politischen Sozialisationsphase auf die Straße gegangen ist: Allein durch Zwang würde kaum jemand in den weißen Bereich zurückkehren. Wer die Schwarzarbeit in den privaten Haushalten austrocknen will, der muss legale Arbeit dort attraktiv machen: indem er die Steuern und Abgaben senkt. Oder, indem er die Zuverdienstgrenzen großzügiger gestaltet. Und indem er es auch privaten Arbeitgebern gestattet, reguläre Lohnkosten beim Finanzamt geltend zu machen.

Damit kein Zweifel besteht: Das sind keine eleganten Lösungen. Und moralisch einwandfrei sind sie auch nicht. Aber sie sind eleganter und einwandfreier als der Versuch, Nachbarn gegen Nachbarn auszuspielen.

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