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Blick auf Zürich und die Limmat, sowie den Zürichsee. Zürich gilt als Bankenzentrum der Schweiz. Landet auch deutsche Entwicklungshilfe dort?

© Alessandro Della Bella / dpa

Undurchsichtige Geldströme: Wenn Entwicklungshilfe in der Schweiz landet

Eine Studie belegt den Abfluss von Entwicklungsmitteln an Steueroasen. Nun stellt sich die Frage: Wird auch deutsches Steuergeld abgezweigt?

Von Hans Monath

Die Behauptung, wonach sich korrupte Kräfte in armen Länder ausgerechnet an Entwicklungshilfe bereichern, klingt wie ein Vorurteil, das die Feinde jeder Solidarität mit Ländern des globalen Südens verbreiten. Doch genau diese Behauptung aus einer brisanten Studie aus der Forschungsabteilung der Weltbank sorgt nun für Konflikte innerhalb der Organisation.

Denn die Eliten unterentwickelter Staaten verschieben zumindest einen Teil der Entwicklungsgelder auf Bankkonten in Steueroasen. Das haben die drei Ökonomen Jorgen Juel Andersen von der B1 Norwegian Business School, Niels Johannesen von der Universität Kopenhagen und Weltbank-Mitarbeiter Bob Rijkers nun nachgewiesen.

In der Weltbank gab es nach Darstellung des „Economist“ anfangs Widerstand gegen die Veröffentlichung der Studie und Versuche, sie zu verwässern. Dies gelte als ein Grund, warum Chefökonomin Pinelopi Goldberg nach nur 15 Monaten bei der Weltbank von ihrem Posten zurückgetreten sei.

Die Studie mit dem Titel „Elite Capture of Foreign Aid: Evidence from Offschore Bank Accounts“ kann zwar keinen absoluten Beweis führen, wonach das Geld auf den Kayman-Inseln, in der Schweiz, in Panama oder auf den Seychellen aus Hilfszahlungen dritter Staaten stammt. Schließlich hatten sie nicht die Gelegenheit, selbst Bankbelege zu prüfen. Doch mögliche Gegenargumente haben sie so sorgfältig geprüft, dass am Ende nur der Zusammenhang mit den Entwicklungsgeldern plausibel bleibt.

Entwicklungsministerium will keine Garantie geben

22 Empfängerländer untersuchten sie, im Schnitt 7,5 Prozent der Entwicklungshilfe für sie landete auf Bankkonten in Offshore-Finanzplätzen wie etwa der Schweiz, der wichtigsten Destination für diese Gelder. Zudem fanden sie heraus: Je stärker ein Land auf Entwicklungshilfe angewiesen ist, umso höher ist der Anteil, der in die Steueroasen fließt - rund 15 Prozent beträgt er bei den sieben Staaten, die im Vergleich zur Hilfe aus dem Ausland selbst am wenigsten erwirtschaften.

Landen auch deutsche Steuergelder für unterentwickelte Länder teilweise etwa auf den Kayman-Inseln?

Eine Garantieerklärung, wonach dies nicht geschieht, wollte das Entwicklungsministerium auf Anfrage nicht abgeben. Man habe aber „ein engmaschiges System aufgebaut, damit keine Mittel in korrupten Kanälen landen“, sagte ein Sprecher. Reformen und der Kampf gegen Korruption seien Grundlage jeder Zusammenarbeit.

Das Ministerium verweist darauf, dass zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit Kenia aufgrund fehlender Aufklärung von Korruptionsvorwürfen im Gesundheitssektor seit 2017 Mittel eingefroren worden seien. In der Folge wurde die Zusammenarbeit mit Kenia im Gesundheitsschwerpunkt eingestellt.

„Politisch bedeutende Ergebnisse“

Auch weitere Vorkehrungen sollen helfen. So würden Mittel der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in der Regel nicht den Regierungen, sondern über die Partnerorganisationen zur Verfügung gestellt. Die Auszahlungen vor Ort richte sich nach dem nachgewiesenen Projektfortschritt. Zudem überprüften die Durchführungsorganisationen die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel, etwa durch regelmäßige Zwischen- und Endevaluierungen sowie Revisionen.

Dennoch scheint die Studie auch im Ministerium Eindruck gemacht zu haben. „Wir werten die Ergebnisse derzeit aus und haben die Weltbank zu einer Stellungnahme zum Inhalt der Studie und möglichen Konsequenzen aufgefordert“, sagte der Sprecher und sät zugleich Zweifel.

Erste Analysen von externen Forschern hätten gezeigt, „dass die in der Studie angewandte Methodik Fragen aufwirft“. Vor allem müsse geklärt werden, ob die Korrelation zwischen Zuwendungen der Weltbank und Mittelabflüssen in Steueroasen auch den Schluss zulässt, dass Eliten Hilfsgelder illegal „abzweigen“.

Deutsche Entwicklungsökonomen zeigen sich dagegen nicht überrascht von den Ergebnissen - und erheben auch keine methodischen Zweifel. „Die Identifikationsstrategie der Autoren ist in der Literatur anerkannt“, sagt etwa Jakob Miethe von der Universität München. Sein Urteil: „Politisch bedeutend sind die Ergebnisse allein schon dadurch, dass 7,5 Prozent eine signifikante Größe ist.“

Auch Professor Axel Dreher von der Universität Heidelberg nennt Ergebnisse und Methoden „einigermaßen plausibel“. Seiner Meinung nach ist kein Geber dagegen gefeit, dass Teile seiner Zahlungen in Steueroasen landen. „Sogar wenn Sie sicherstellen, dass bei einem bestimmten mit der Hilfe finanziertes Projekt direkt keine Gelder abgeschöpft werden können, setzt die Finanzierung vielleicht Mittel frei, die der Empfänger sonst selbst in diesem Bereich ausgegeben hätte", meint Dreher: „Dieses Geld kann dann abfließen.“

Auch deutsches Geld könnte in Steueroasen fließen, glaubt die Opposition

Die Opposition in Deutschland fürchtet, dass auch deutsche Entwicklungsgelder in Steueroasen landet. „Amtsträger in Entwicklungs- und Schwellenländern entwenden jedes Jahr zwischen 20 und 40 Milliarden Euro“, sagt der FDP-Entwicklungsexperte Christoph Hoffmann. Die Transparenz der Geldströme einzufordern sei wichtig.

„Hier geben sich gerade deutsche Entwicklungshilfeorganisationen vorbildlich alle Mühe“, lobt der Liberale. Erforderlich sei aber „ein europäisches, wenn nicht sogar ein globales, einheitliches Vorgehen verbunden mit klaren Konsequenzen aller Geber bei bekannten Fällen“.

Grünen-Fachmann Uwe Kekeritz hält es für möglich, dass auch deutsche Gelder abfließen: „Sollte es jedoch tatsächlich eine weit verbreitete systematische Hinterziehung von Hilfsgeldern geben, ist dies sicherlich kein alleiniges Problem der Weltbank.“ Nicht nur Transparenz sei deshalb wichtig. Entscheidend sei, Steueroasen trockenzulegen und Strukturen zu beenden, die Korruption und illegitime Finanzflüsse befördern.

Dass nun die Kaimaninseln und drei weitere Länder von der EU auf die Schwarze Liste gesetzt wurden, sei jedoch „ein wichtiges Signal im Kampf gegen aggressive Steuervermeidung und Steuerflucht“. Der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier nennt es ein „grundsätzliches Problem“ der deutschen Entwicklungshilfe, dass sie Machtstrukturen korrupter und unfähiger Eliten stärke. Seine Forderung: Die Regierung müsse „ihre Kooperation mit hochgradig korrupten Staaten grundsätzlich in Frage stellen“.

Ökonom Miethe weist darauf hin, dass die deutsche Entwicklungshilfe selbst Steueroasen nutzt. In den Jahresberichten der Deutschen Entwicklungs- und Investitionsgesellschaft (DEG), eines Tochterunternehmens der KfW, seien beispielsweise Dutzende Fonds auf Mauritius zu finden, sagte er: „Und es werden über die Jahre mehr.“ Er frage sich warum diese Fonds nicht in Frankfurt aufgesetzt werden könnten. Allerdings setzt die DEG die Fonds nicht selbst auf, investiert aber in sie, um privates Kapital für Entwicklungsprojekte zu ermutigen.

Bei der Regulierung bilateraler Kapitalflüsse stehe Deutschland „auf der Bremse“, kritisiert der Münchner Wissenschaftler. Sein Urteil: Es sei „etwas wohlfeil mit dem Finger auf andere Länder zu zeigen, wenn dieselben Strukturen, denen wir weiterhin die Geheimhaltung von Finanzströmen erlauben, auch Korruption in ärmeren Ländern mit schwächeren Institutionen bedienen".

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