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Politik: Unerwünschtes Etikett

FDP- und Grünen-Wähler verdienen überdurchschnittlich gut – die Parteien wollen davon nichts hören

Von Matthias Meisner

Berlin - Da hat Generalsekretärin Cornelia Pieper gute Laune – könnte die FDP doch jetzt den Slogan von der „Partei der Besserverdienenden“ nach zehn Jahren endgültig loswerden. Im Bundestagswahlkampf 1994 hatte sich die Partei das Etikett noch selbst angeheftet, doch schon bald darauf verflucht. Über die Jahre ist zumindest den Fakten nach mit den Grünen ein ernsthafter Konkurrent um den Titel herangewachsen, wie das Institut für Politikwissenschaft der Universität Mainz herausgefunden hat. Demnach kamen bei einer repräsentativen Befragung vor zwei Jahren die Anhänger der Grünen auf ein mittleres Monatseinkommen von 1750 bis 2000 Euro, bei den Freidemokraten waren es hingegen nur zwischen 1500 und 1750 Euro.

Für Pieper, am Montag im Landtagswahlkampf im Vogtland unterwegs, sind die Zahlen aus Mainz willkommener Anlass, über die Grünen zu schimpfen, die zur „reinen Klientelpartei“ geworden seien, während die FDP den „Einstieg in andere soziale Schichten geschafft“ habe. Aus ihrer Sicht ist das verständlich: Wohl keine Parole wirkte für die FDP so verheerend wie die von der „Partei der Besserverdienenden“, die in den Entwurf eines Bundestagswahlprogramms, nie aber in die endgültige Fassung gelangt war. Die Führung hatte sich die Formulierung ausgedacht, um Leistungsträger zu hofieren. Doch das ging gründlich schief: Im Osten wurde die FDP zur Splitterpartei. Der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher sprach noch Jahre danach vom größten Fehltritt: „Das war im Westen schlimm und im Osten verheerend.“

Immer neue Markenzeichen wollten die Parteiführer Wolfgang Gerhardt und Guido Westerwelle der FDP verpassen: Reform-, Freiheits-, Fortschritts-, Toleranz- und schließlich auch Arbeitnehmerpartei – nichts blieb so recht haften. Dabei weist der Mainzer Politikwissenschaftler Harald Schoen darauf hin, dass sich der Trend, dass Grünen-Anhänger besser verdienen, seit Jahren abzeichnet. Freilich sind die Unterschiede zur FDP nicht allzu groß. „Die Grünen spielen in einer ähnlichen Liga wie die FDP“, sagt Schoen.

Vor allem verdeutlicht die Untersuchung aus Mainz, dass FDP und Grüne um die gleiche Klientel konkurrieren. Wohl auch deshalb wollen die Grünen das neue Etikett gar nicht übernehmen. „Wir machen keine Politik für Besserverdienende“, heißt es aus der Parteizentrale. Vielmehr wolle man Wohlhabende stärker belasten. Die Grünen-Wähler wollten „nur ihr Gewissen beruhigen“, gibt Pieper gehässig zurück.

Einstmals nannte es Gerhardt „unerträglich“, dass Menschen mit gutem Lebensstandard, die gern mal ein Glas Champagner trinken, noch immer die Grünen wählen. Nun weist Pieper stolz darauf hin, dass ihre Partei auch Zulauf etwa von Auszubildenden, Arbeitern und Arbeitslosen habe. Am besten aber kommt die FDP noch immer bei den Selbstständigen an. Doch die, so erklärt das die Generalsekretärin, „gehören auch nicht zu den Besserverdienenden“.

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