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Rechtsruck: Ungarn: Wie bei Putin

Der Osteuropa-Experte Pierre Kende warnt vor einer autoritären Umgestaltung Ungarns. Und auch in der Slowakei ist die Lage problematisch.

Von Frank Jansen

Berlin - Die Prognosen für Ungarn sind beklemmend. Ein „Kulturkampf“ in Universitäten und Medien, politisch motivierte Strafprozesse gegen Mitglieder der aus der Regierung abgewählten Sozialisten und Liberalen, eine Zunahme der „Anti-Zigeuner-Hysterie“ – der Osteuropa-Experte und gebürtige Ungar Pierre Kende zeichnet ein Bild, das erschreckt. Weniger wegen des Erfolgs der rechtsextremen Partei Jobbik bei den Wahlen im April, sondern vor allem angesichts der Zweidrittelmehrheit der rechtspopulistischen Fidesz-Partei unter Viktor Orbán. Nach dem gewaltigen Rechtsruck werde die Regierung Orbán versuchen, „das Land kulturell und moralisch gleichzuschalten“, sagte der frühere Forschungsdirektor des Pariser Centre national de la recherche scientifique, des Pendants zur Max-Planck-Gesellschaft, jetzt bei einer Tagung der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung in Potsdam zu Rechtspopulismus in Mittelosteuropa.

Kende befürchtet eine autoritäre Umgestaltung Ungarns und verglich Orbán mit Wladimir Putin. Als Beleg für seine Prophezeiungen nannte Kende unter anderem die harte Propaganda Orbáns und seiner Partei in den Jahren der Opposition. Die damalige Regierung aus Sozialisten und Liberalen sei als „Bolschewisten“ abgestempelt worden. Die Fidesz habe ihre Gegner als Vaterlandsverräter „diabolisiert“, sagte Kende. Und er verwies auf das strategische Dilemma der Fidesz: Mäßige sie sich in der Regierung, sei weiterer Zulauf für Jobbik zu erwarten.

Auch in der Slowakei ist die Lage problematisch. Seit 2006 sitzt in der Regierung die rechtspopulistische Slovenská národná strana (Slowakische Nationalpartei). Ihr Chef Jan Slota kündigte an, er werde am 22. Mai zur Schwulenparade in Bratislava kommen, „um sie anzuspucken“. Trotz solcher Ausfälle sei zu erwarten, dass die SNS bei den Wahlen am 12. Juni wieder ins Parlament und dann auch in die Regierung kommen kann, sagte Grigorij Meseznikov, Präsident des Institute for Public Affairs in Bratislava.

In Polen hingegen sind die härtesten Rechts- und Linkspopulisten auf dem Rückzug. Sie seien von der nationalkonservativen Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) „kannibalisiert“ worden, sagte Klaus Bachmann, Politikwissenschaftler an der Universität Breslau und der Warschauer Hochschule für Sozialpsychologie. Die von den Kaczynski-Zwillingen gegründete PiS hatte von 2005 bis 2007 mit der rechtspopulistischen Liga polnischer Familien und der bäuerlich-linkspopulistischen Bewegung Samobroona (Selbstverteidigung) regiert. Die amateurhaften Populisten wurden jedoch von der machtbewussten PiS an die Wand gedrückt und flogen bei der Wahl 2007 aus dem Sejm. Bachmann sprach von einem zu Ende gehenden „populistischen Zyklus“. Der ein erstaunliches Phänomen hervorbrachte. Laut Bachmann stieg in Polen die Zufriedenheit mit der Demokratie, als die Populisten ins Parlament und in die Regierung kamen. Viele Protestwähler hätten sich bestätigt gesehen. Und die Zustimmung zur Demokratie sei trotz des Abstiegs der Populisten nicht gesunken.

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