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Historischer Moment: Gyula Horn (r.) durchschneidet symbolisch den "Eisernen Vorhang", der zu Zeiten des Kalten Krieges die Welt in Ost und West teilte.

© dpa

Ungarns Ex-Regierungschef 80-jährig gestorben: Der Mann, der den Eisernen Vorhang durchschnitt: Gyula Horn ist tot

Sein symbolischer Schnitt durch den Eisernen Vorhang ging in die Geschichte ein: Ungarns früherer Außenminister und Regierungschef Gyula Horn ist tot.

Für die Deutschen wird der Name des ungarischen Reform-Politikers Gyula Horn wohl unvergesslich bleiben. Am Abend des 10. September 1989 hatte der damalige Außenminister im Fernsehen verkündet, dass Zehntausende in Ungarn festsitzende DDR-Flüchtlinge um Mitternacht das Land in Richtung Österreich verlassen können. Die Aufkündigung der "Bündnissolidarität“ mit der kommunistischen DDR war nicht sein alleiniges Werk. Vorbereitet und verantwortet wurde dieser folgenreiche Schritt von der reformkommunistischen
Regierung unter Ministerpräsident Miklos Nemeth. Doch Gyula Horn, der am Mittwoch im Alter von 80 Jahren starb, gab der dramatisch neuen Politik der Ungarn ein Gesicht.

Der Mann, der mit seinen Mitstreitern indirekt maßgeblich zum Fall der Berliner Mauer beitrug, begann seine Laufbahn unter denkbar entgegengesetzten Vorzeichen. Als Kind einer Budapester Arbeiterfamilie, geboren am 5. Juli 1932, schloss er sich früh den damals stalinistischen Kommunisten an. Als Mitglied einer neu gebildeten Miliz, den sogenannten „Wattejacken“, beteiligte er sich sogar an der Niederschlagung des Volksaufstands von 1956. Was er dabei genau tat, blieb bis zuletzt ungeklärt.

2007 fiel er ins Koma - und erwachte nie mehr

Der Loyalitätsbeweis gegenüber dem von den Sowjets restaurierten Regime von Janos Kadar ermöglichte ihm jedenfalls eine steile Parteikarriere. In reiferen Jahren setzte sich bei ihm aber durchaus die Einsicht durch, dass das kommunistische System keine Zukunft haben würde. Ende der 80er Jahre gehörte er zu einer Gruppe von Funktionären, die wie Miklos Nemeth und andere bereits aktiv auf eine Systemwende hinarbeiteten. Mit seinem österreichischen Amtskollegen Alois Mock durchtrennte er am 27. Juni 1989 symbolisch nahe der Grenzstadt Sopron (Ödenburg) den Eisernen Vorhang.

Im Oktober 1989 nahm Horn an der Gründung der aus dem Reformflügel der kommunistischen Partei geformten Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP) teil. Nach der Niederlage der nunmehr sozialdemokratischen MSZP bei den ersten freien Wahlen im Frühjahr 1990 wurde er deren Vorsitzender. 1994 führte er seine Partei zum Wahlsieg und wurde 1998 Ministerpräsident einer Koalitionsregierung mit den Freidemokraten (SZDSZ), der Partei der ehemaligen Dissidenten.

Trotz beachtlicher Wirtschaftsreformen verfehlte die MSZP-SZDSZ- Regierung 1998 die Wiederwahl. Horn legte den Parteivorsitz nieder und zog sich aus der Politik zunehmend zurück. Für viele, vor allem ältere MSZP-Mitglieder, blieb er aber immer noch so etwas wie eine „graue Eminenz“. Mit gelegentlichen links-populistischen Ansagen in Bezirksmitgliederversammlungen vermochte er sein Stammpublikum immer wieder neu zu entzücken. Im Juli 2007 erlitt er einen gesundheitlichen Zusammenbruch. Seine Angehörigen verweigerten von da an jegliche Angaben zu seinem Zustand. Aus dem Koma, in das er damals fiel, ist er aber wohl nie wieder erwacht.

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