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„Er war ja noch nicht mal zu einem Statement fähig“: Unionspolitiker fordern Scholz nach Europawahl zu Vertrauensfrage auf
Nach den verlustreichen Ergebnissen der EU-Wahl gerät der Kanzler vor allem bei Unionspolitikern in die Kritik. SPD-Vorsitzende Esken verteidigt Scholz als Gesicht im EU-Wahlkampf.
Stand:
Nach dem desaströsen Abschneiden der Kanzlerpartei SPD bei der Europawahl hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann seine Forderung nach Neuwahlen bekräftigt.
Bundeskanzler Olaf Scholz müsse die Vertrauensfrage jetzt stellen, sagte Linnemann am Dienstag beim Tag der Immobilienwirtschaft in Berlin. Gewinne er die Vertrauensfrage, müsse die Ampel einen Neuanfang hinlegen. Verliere der Kanzler die Vertrauensfrage, „dann muss es Neuwahlen geben“.
CDU bereitet wohl Regierungsübernahme vor
Eineinhalb Jahre bis zur nächsten regulären Bundestagswahl könne das Land nicht so weitermachen. „Wir bereiten uns jetzt auf die Regierungsübernahme vor, wenn die Bevölkerung das will“, sagte Linnemann. Die CDU arbeite bereits im Hintergrund an einem Prozesshandbuch für den Fall von Verhandlungen über eine Regierung.

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Allerdings räumte Linnemann ein: „Stand heute glaube ich nicht, dass es Neuwahlen gibt.“ Linnemann: „Der Bundeskanzler war ja noch nicht mal fähig, ein vernünftiges Statement abzugeben nach dieser Europawahl.“ Insofern werde die Union wohl auch in einem Jahr noch in der Opposition sein.
Wir bereiten uns jetzt auf die Regierungsübernahme vor, wenn die Bevölkerung das will.
Carsten Linnemann
Dobrindt: Ampel „treibt Polarisierung voran“
Auch der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fordert von Kanzler Scholz Konsequenzen aus den Einbußen der Regierungsparteien bei der Europawahl. „Das Wahlergebnis ist ein eindeutiges Misstrauensvotum gegenüber der Ampel“, sagte Dobrindt am Dienstag in Berlin. Zwischen den Koalitionspartnern sei zudem massive Zerrüttung eingetreten.
„Ich will mir nicht vorstellen, dass Olaf Scholz dieses Ampel-Siechtum schweigend ignoriert“, sagte Dobrindt. Es liege in der Verantwortung des Kanzlers, den Wählerauftrag wieder an die Wähler zurückzugeben. Dobrindt sagte, es habe sich auch gezeigt, dass ein Wahlkampf „ohne echtes Thema“ nicht das sei, was Wähler zur Urne treibe.

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Auch der Versuch vonseiten der SPD, einen Kampf gegen rechts auszurufen, sei gescheitert. Das Schlimmste sei, dass die Ampel mit ihrer Politik die Polarisierung der Gesellschaft vorantreibe.
Esken verteidigt Scholz als Gesicht im EU-Wahlkampf
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sieht Bundeskanzler Olaf Scholz durch das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten bei der Europawahl hingegen nicht als beschädigt an. „Nein, ganz sicher nicht“, sagte Esken am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“ auf eine entsprechende Frage.

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Sie verteidigte zugleich, dass die SPD Scholz im Wahlkampf prominent plakatiert habe. Scholz sei Regierungschef des bevölkerungsreichsten EU-Mitgliedstaates und spiele als Mitglied des Europäischen Rates eine wichtige Rolle auf europäischer Bühne.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sieht Esken in der Pflicht, öffentlichen Streit zu vermeiden. „Wir müssen jetzt zusammenarbeiten“, mahnte die SPD-Chefin. Auch mit Blick auf die schwierigen Haushaltsverhandlungen fügte sie hinzu: „Das müssen wir auch in großer Einigkeit tun.“
SPD-Fraktionschef: Nehme Zeichen von Bürgern ernst
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich rief die Koalition zur Zusammenarbeit aufgerufen. Es bedürfe auch eines anderen Auftretens in der Koalition und der Bundesregierung, fügte er am Dienstag in Berlin am Rande einer SPD-Fraktionssitzung im Bundestag hinzu.
Ich hoffe, dass die Nichtwähler (...) zu demokratischen Parteien wieder finden.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich
Mit Blick auf das Wahlergebnis vom Sonntag sagte der Fraktionschef, er nehme dieses Zeichen von Bürgerinnen und Bürgern ernst. Er äußerte die Befürchtung, dass viele Wähler der AfD nicht mehr aus Frust, sondern „aus einer klaren Kenntnis der rechten Programmatik“ der Partei ihre Stimme gegeben hätten. „Ich hoffe, dass die Nichtwähler (...) zu demokratischen Parteien wieder finden, und dafür müssen wir jetzt in den nächsten Wochen arbeiten.“
Juso-Chef: Europawahl war auch Abstimmung über Scholz
Die Sozialdemokraten, die im Wahlkampf auch auf Scholz als Zugpferd setzten, fielen auf 13,9 Prozent (2019: 15,8 Prozent) – ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl überhaupt.
Juso-Chef Philipp Türmer kritisierte im „Spiegel“: „Es ist dem Kanzler nicht gelungen, die Stimmung zu drehen und ein Aufbruchssignal zu senden.“ Hätte man die Wahl gewonnen, „wäre es als Bestätigung der Ampel und Stärkung des Kanzlers gewertet worden. Nun haben wir sie verloren. Also gilt das Gegenteil“, betonte Türmer.
Die Wahl sei eine Abstimmung über die Ampel-Politik gewesen „und über Olaf Scholz, den wir überall plakatiert haben“, sagte der Juso-Chef.
Türmer forderte von Scholz im Haushaltsstreit mit der FDP mehr Härte. Bundesfinanzminister Christian Lindner wolle mit dem nächsten Sparhaushalt nötige Investitionen blockieren und im Sozialbereich kürzen, kritisierte der Juso-Chef. „Das wäre fatal, und das darf Scholz ihm nicht durchgehen lassen“, forderte der Juso-Chef. (dpa)
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