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An 350 Stellen, wie hier vor Cuxhaven, wird in Europas Gewässern Öl gefördert. Foto: dpa

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Untergang der "Deepwater Horizon": Lehren aus der Ölkatastrophe

EU-Kommissar Oettinger dringt darauf, in Europa keine neuen Ölbohrungen zu genehmigen. Indes gibt es im Golf von Mexiko erneut einen Rückschlag.

Im Golf von Mexiko war auch am Mittwoch kein Ende der Ölpest in Sicht: BP musste einen Belastungstest für eine neue Abdichtung über dem Ölleck in letzter Minute verschieben, weil sich die Experten nicht einigen konnten, wie die Tests zu bewerten seien. In Europa bemühte sich derweil die EU-Kommission, bei einem Treffen mit Vertretern der Ölkonzerne Lehren aus der Katastrophe zu ziehen. Energiekommissar Günther Oettinger beriet am Sitz der EU-Kommission in Brüssel mit den Chefs der drei großen Konzerne BP, Shell und Statoil.

„Neue Bohrungen können für die Zukunft und den Markt wichtig sein, aber sie müssen nicht zwingend in diesem Jahr sein“, sagte Oettinger nach dem Gespräch. „Ein Moratorium wäre eine gute Idee.“ Der Stopp soll vorübergehend gelten, bis die Ursache der Ölkatastrophe in den USA geklärt ist. Die Ölindustrie lehnt einen Genehmigungsstopp jedoch ab. „Unsere Empfehlung lautet, das Antragsverfahren wie in der Vergangenheit fortzusetzen“, sagte der Chef der Internationalen Vereinigung der Öl- und Gasproduzenten (OGP), Michael Engell-Jensen, nach dem Treffen.

Später empfing Oettinger Vertreter der 27 nationalen Aufsichtsgremien. Ihnen obliegt es bisher, neue Bohrtürme und Plattformen zuzulassen – derzeit eine heikle Aufgabe. Der deutsche Kommissar wollte sie davon überzeugen, vorerst keine neuen Genehmigungen zu erteilen. Nach EU-Angaben wird an 350 Stellen in europäischen Gewässern Erdöl gefördert. Der überwiegende Teil des Öls wird in der Nordsee, im Nordatlantik und vor Norwegen gefördert. Allein der norwegische Staatskonzern Statoil beutet entlang der Landesküste 36 Felder aus – und betreibt auch Förderanlagen vor Irland, Großbritannien und den Faröer-Inseln. Daneben sind Großbritannien und die Niederlande Hauptproduzenten – die Stammsitze der Ölriesen Shell und BP. Insgesamt wurden nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat 2009 in der EU rund 97 Millionen Tonnen Rohöl gefördert – Tendenz fallend, weshalb die Konzerne auf Erkundung und Ausbeutung neuer Ölfelder setzen.

Erst vor zwei Wochen hat Norwegen neue Offshore-Ölbohrungen ausgeschrieben. Die irische Regierung hat bereits klargestellt, dass man trotz der Ölkatastrophe vor der US-Küste an der Förderung aus dem Meer festhalte. Bestärkt werden sie in dieser Einschätzung von konservativen Politikern wie Herbert Reul (CDU), dem Vorsitzenden des Energieausschusses im EU-Parlament. Seit den schweren Unfällen der siebziger Jahre, zu Beginn der Förderung in der Nordsee und im Atlantik, habe es in Europa keine nennenswerten Zwischenfälle mehr gegeben: „Das ist ein klares Zeichen dafür, dass Sicherheitsstandards in der EU eingehalten werden und die Unternehmen aus früheren, nicht zuletzt sehr teuren Fehlern gelernt haben.“

Grüne und Sozialdemokraten nehmen die Katastrophe rund um die Ölplattform „Deepwater Horizon“ zum Anlass, erneut eine Abkehr vom Öl zu fordern. „In Anbetracht von 320 000 Kilometer Meeresküste, über die die EU verfügt, müssen wir uns die Frage stellen, wie viele Risiken wir bereit sind in Kauf zu nehmen, ehe wir endlich den Schritt weg vom Öl wagen“, sagt die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust. Die Grünen fordern, Bohrungen in mehr als 500 Metern Tiefe grundsätzlich zu verbieten, weil dort keine Taucher, sondern nur noch Roboter mögliche Schäden reparieren können.

Oettinger setzt zunächst darauf, europaweit hohe Sicherheitsstandards durchzusetzen, Notfallpläne aufeinander abzustimmen und die Haftungsfragen klarer zu beantworten als bisher. Experten gehen der SPD-Abgeordneten Rodust zufolge davon aus, dass Ölkonzerne im Ernstfall nur für Schäden an Tieren und Pflanzen, die unter Naturschutz stehen, aufkommen müssen. Die EU-Kommission erwägt, der Mineralölbranche eine Versicherungspflicht für den Notfall oder Zahlungen in eine Art Umweltfonds vorzuschreiben. Darüber beraten die EU-Energieminister im September.

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