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Politik: Unvereidigt, weil verdächtig

Der Strafverteidiger Günter Kohlmann sieht rundherum zufrieden aus. "Ach, der Kollege Ströbele", strahlt der beleibte ältere Herr mit dem markanten weißen Stoppelhaar den Grünen-Abgeordneten an.

Von Robert Birnbaum

Der Strafverteidiger Günter Kohlmann sieht rundherum zufrieden aus. "Ach, der Kollege Ströbele", strahlt der beleibte ältere Herr mit dem markanten weißen Stoppelhaar den Grünen-Abgeordneten an. Christian Ströbele sieht eher unzufrieden aus. Der Strafverteidiger Kohlmann hat nämlich gerade verhindert, dass sein Mandant Walter Leisler Kiep seine Aussagen vor dem Spenden-Untersuchungsausschuss des Bundestages mit einem Eid beschwören muss. Und darum erinnern größere Teile des Ausschusses inklusive des Vorsitzenden Volker Neumann (SPD) an diesem Donnerstag ein bisschen an eine Ansammlung begossener Pudel.

Kieps feierlicher Schwur sollte Abschluss und inszenatorischer Höhepunkt der Vernehmung des einstigen CDU-Schatzmeisters werden. Der Grandseigneur aus dem Taunus gilt als Schlüsselfigur in dem Netz von Schwarzen Kassen, Auslandskonten und "sonstigen Einnahmen", über das die Bundes-CDU jahrelang mit Schwarzgeld versorgt worden ist. Dass Kiep sozusagen nichts wusste, nichts sah und nichts falsch gemacht hat - außer in dem einen offenkundigen Fall, in dem er eine Million Mark von dem Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber im Koffer annahm -, hat niemand je geglaubt. Der Ausschussvorsitzende Neumann hat aus seiner Meinung auch öffentlich kein Hehl gemacht: Er sei "die Lügereien" Kieps satt; Unterlagen bewiesen, dass der Mann vorsätzlich die Unwahrheit gesagt habe.

Das hätte Neumann vielleicht besser nicht sagen sollen. Kohlmann hat die Zitate sorgsam aufgehoben. Sie werden ihm zur Waffe. Die Worte des Herrn Vorsitzenden - ebenso wie die in den zwei Vernehmungen Kieps gestellten Fragen - zeigten auf, dass sein Mandant verdächtigt werde, im Sinne des Untersuchungsauftrags sich strafbar gemacht zu haben. Nun verbiete aber der Paragraf 60, Satz 2 der Strafprozessordnung die Vereidigung genau solcher Zeugen, die im Verdacht stehen, an der Tat irgendwie strafbar beteiligt gewesen zu sein. Und schon im 17. Band der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs - "in der Steinzeit gewissermassen" - finde sich die Feststellung, dass "auch nur der entfernte Verdacht" ein Vereidigungsverbot nach sich ziehe.

Nach diesem kurzen Vortrag tritt der Ausschuss erst einmal in nicht öffentliche Beratung ein. Vergessen ist, dass der CDU-Obmann Andreas Schmidt gerade noch forsch behauptet hat, das Gremium sei kein Gericht und dürfe Zeugen überhaupt nicht vereidigen. Vergessen auch, dass der FDP-Obmann Max Stadler sich dagegen verwahrte, dass Schmidt von "politisch motiviertem Rechtsbruch" sprach. Der einstige Amtsrichter Stadler ist dann der erste, der die neue Lage ungeschminkt beschreibt: Kohlmann habe Recht. Kein Gericht dürfe einen Zeugen sehenden Auges in den Meineid treiben; ein Beschuldigter darf erst recht nicht vereidigt werden.

Wenig später verkündet Neumann im Ergebnis das Gleiche: Kiep wird nicht vereidigt. Zwar, so der SPD-Mann, mache sich der Ausschuss Kohlmanns Ansicht nicht zu Eigen. Kiep habe "die Eidesleistung verweigert". Kiep zum Schwur zwingen könne der Ausschuss indessen nicht, weil das Verfahren zu lange dauern würde. Aber die Unterlagen gehen zur Staatsanwaltschaft. Und was, fragt jemand, folgt daraus für den Plan des Ausschusses, im November den hessischen Regierungschef Roland Koch zu vereidigen? "Nichts", sagt Neumann. Wenn das mal nicht wieder zu schnell war. Ausschussmitglieder denken jedenfalls schon darüber nach, ob man nicht ganz amtlich per Mehrheitsbeschluss gegen Koch einen Verdacht feststellen sollte. Und dann mit dieser Begründung den Eides-Plan halbwegs unauffällig fallen lässt.

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