zum Hauptinhalt
314028_0_8990960f.jpg

© Ralph Schulze

Klimawandel: Urlaub in der Wüste

Hitzewellen auf Mallorca, Dürren, Waldbrände - Spanien trocknet aus. Das hat dramatische Folgen für Landwirtschaft und Tourismus.

Entsetzliche Hitzewellen auf Mallorca, Dürren, Waldbrände, vom Meer verschluckte Strände, zuweilen auch heftige Unwetter. Die langfristigen Klimaaussichten auf der spanischen Ferieninsel sind alles andere als beruhigend. Wissenschaftler warnen vor einer „Afrikanisierung“ und „Tropikalisierung“ des Klimas. Tourismusbranche und Landwirtschaft müssten mit großen Einbußen rechnen. Das im Mittelmeer zwischen der Costa Blanca und Nordafrika liegende Ferienparadies werde zu den ersten europäischen Opfern des Treibhauseffektes gehören.

Kaum besser wird es verschiedenen Studien der Europäischen Union und der Vereinten Nationen zufolge Ende des 21. Jahrhunderts auf dem spanischen Festland aussehen: Sandig-steinige Wüstenlandschaften breiten sich aus. In der Umgebung der südspanischen Küstenstadt Almeria am Mittelmeer sieht es heute bereits mancherorts aus wie auf dem Mond. In Spanien sind Klimawandel und Wüstenbildung so weit fortgeschritten wie in kaum einem anderen südeuropäischen Staat. Rund ein Drittel des Landes ist von fortschreitender Erosion bedroht. Die in Nordafrika liegende Sahara könnte bald schon in Spanien beginnen.

Das Land im innern trocknet immer mehr aus, die Ränder sind vom Meer bedroht. Vor dem Flussdelta des Ebro im nordwestspanischen Katalonien soll bald mit dem Bau einer zwei Meter hohen und 16 Kilometer langen Betonmauer begonnen werden, sie soll ein Schutzwall sein gegen das ansteigende Mittelmeer. Schon ein zehn bis zwanzig Zentimeter höherer Meeresspiegel würde den Naturpark im Ebro-Tal, eines der wichtigsten Feuchtbiotope und Vogelschutzgebiete Südeuropas, überschwemmen und zerstören. Bisher prägen Dünen, Sandstrände, von Schilf umgebene Lagunen und Reisfelder das Delta. Rund 300 verschiedene Vogelarten sind hier heimisch, viele Zugvögel, sogar Flamingos, fühlen sich hier wohl. Ob die Schutzmauer das wertvolle Feuchtgebiet retten kann, ist fraglich. „Dieser Deich wird nur ein Pflaster sein, um die wirkliche Tragweite des Klimawandels zu überdecken“, warnt die Bürgerinitiative „Ecologistas en Accion“.

Den Prognosen zufolge könnten die mittleren Temperaturen in Spanien bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu sechs Grad steigen. Der vergangene August war vielerorts der heißeste Monat der Geschichte mit wüstenartigen Rekorden von bis zu 45 Grad im Schatten. Zugleich blieb Regen aus: Die Niederschläge in den vergangenen zwölf Monaten lagen rund 15 Prozent unter dem Durchschnitt, teilte das staatliche Wetteramt mit. Bis zu 40 Prozent weniger Regen könnte bis Ende des Jahrhunderts fallen. „Spanien zählt zu den am schlimmsten betroffenen Regionen“, warnt Juan Carlos Ciscar vom europäischen Forschungsinstitut Joint Research Center im südspanischen Sevilla. Die EU-Wissenschaftler rechnen bis zum Jahr 2080 in Europa mit einem Temperaturanstieg zwischen 2,5 Grad und 5,4 Grad Celsius und einem Meeresspiegelanstieg zwischen 48 und 88 Zentimetern. Sie warnen: „Je höher die Temperaturen umso schlimmer die Auswirkungen.“ Die Schäden für die spanische Wirtschaft werden beträchtlich sein. Südeuropa müsse wegen Hitze und Wüstenausbreitung mit Milliardenausfällen im Fremdenverkehr und Ackerbau rechnen, sagen die Forscher.

Auch im bergigen Norden Spaniens, in den bis zu 3400 Meter hohen Pyrenäen, ist der Klimawandel sichtbar. Vor 100 Jahren gab es dort noch 27 Gletscher, jetzt sind es nur noch neun. Und auch diese schmelzen. „Das hat sich sogar beschleunigt in den letzten Jahren“, bedauert Miguel Frances vom spanischen Umweltministerium. Der Treibhauseffekt sei das Todesurteil für Spaniens Gletscher, die wohl bald ganz verschwunden sein werden. Auch die umliegenden Skistationen in den Pyrenäen rüsten sich für eine wärmere Zukunft – mit mehr Schneekanonen.

Spanien leidet allerdings nicht nur unter dem Klimawandel. Es ist auch ein Teil des Problems. Spanien ist weit von den Klimazielen des Kyoto-Abkommens entfernt. Demzufolge darf Spanien bis 2012 rund 15 Prozent mehr Treibhausgase produzieren als 1990. Doch die Spanier, die sich lange Zeit um den Umweltschutz wenig sorgten, blasen heute annähernd 40 Prozent mehr Kohlendioxid in die Luft. Damit gehört Spanien zu den großen Klimasündern Europas. Um zu retten, was zu retten ist, rang sich Spaniens sozialdemokratische Regierung nun zu einem Energiespargesetz durch. Danach müssen Heizungen und Klimaanlagen in öffentlichen Räumen, Geschäften und Restaurants gedrosselt werden: Im Winter sind nicht mehr als 21 Grad Innentemperatur erlaubt, im Sommer dürfen die Räume höchstens auf 26 Grad heruntergekühlt werden. Allerdings dürfte die Wirtschaftskrise das Emissionswachstum etwas gebremst haben.

Ralph Schulze[Madrid]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false