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Politik: US-Präsidentschaftswahl: Der Streber Gore zeigt erstmals Leidenschaft

Falls Al Gore in drei Wochen der gewählte Nachfolger von Bill Clinton sein sollte, dürfte er im Rückblick die dritte Debatte der US-Präsidentschaftskandidaten als wahlentscheidend für sich reklamieren. Der Punktsieg des Vizes beim letzten Duell mit George W.

Falls Al Gore in drei Wochen der gewählte Nachfolger von Bill Clinton sein sollte, dürfte er im Rückblick die dritte Debatte der US-Präsidentschaftskandidaten als wahlentscheidend für sich reklamieren. Der Punktsieg des Vizes beim letzten Duell mit George W. Bush am Dienstagabend in St. Louis schien den meisten Beobachtern ein deutlicher zu sein. Gore, der unter stärkerem Druck gestanden hatte, startete so aggressiv wie bei der ersten Debatte in Boston, wirkte aber weniger arrogant. Erstmals schaffte Clintons Stellvertreter es, in leidenschaftlichen und präzisen Formulierungen sein Programm mit jenem von George Bush zu kontrastieren.

Die erste Debatte, eigentlich ein Unentschieden, war wegen Gores Überheblichkeit und kleineren Übertreibungen knapp für Bush verbucht worden. Der Republikaner gewann das zweite Aufeinandertreffen deutlich, weil Gore auf einen unterwürfigen Schmusekurs umschwenkte.

Früh rutschte Bush am Dienstagabend ein Satz heraus, der seine Weltanschauung zusammenfasst: "Es geht hier nicht um politische Philosophie und um Themen, es geht darum, etwas zu erreichen." Gore ließ dergleichen nicht durchgehen: "Wenn Sie jemanden wollen, der lange und kompliziert herumredet und dann die Vorschläge der Industrie unterstützt, dann nehmen Sie ihn", sagte er und deutete auf seinen Konkurrenten.

Die Fragen von noch immer unentschiedenen Wählern gaben eine Vorstellung davon, was Amerika auf dem Herzen hat. 19 der 120 eingereichten Fragen bezogen sich auf die Zukunft des Krankenversicherungssystems, 18 auf das Bildungssystem, 12 auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Beide Kandidaten nahmen für sich in Anspruch, die besseren Reformvorschläge hin zu einer allgemeinen Krankenversicherung zu haben.

Erneut hatten sich beide Lager strikten Regeln unterworfen, die sie selbst ausverhandelt hatten. So war das Clintonsche Nachfragen beim fragestellenden Bürger verboten. Gore durfte sich bei einem Lehrer nicht einmal erkundigen, welche Altersgruppe er unterrichtet. Vor allem bei direkten Wortwechseln mit Bush brach Gore die Regeln mehrfach, und der Gouverneur wandte sich Hilfe suchend an den Moderator.

Ein inspirierter und offensiver Gore nahm Bush das Eingeständnis ab, sein umfassendes Steuersenkungspaket diene den Wohlhabenden: "Natürlich kriegen die Reichsten Steuersenkungen. Weil sie am meisten zahlen!" Gore nutzte dies, um seine Weltsicht zu verkünden. Sieben Mal betonte er: "Wenn Sie jemanden wollen, der für Sie kämpft, bin ich Ihr Mann!"

Bushs bester Konter kam, als Gore beteuerte, er wolle 100 Milliarden Dollar zusätzliche Militärausgaben, Bush habe nur 45 Milliarden hierfür vorgesehen. Bush: "Wenn dies ein Wettbewerb darum ist, wer am meisten ausgibt, bin ich nur Zweiter." Der Gouverneur gab sich in einer Doppelrolle als traditioneller Republikaner, der gegen den Moloch Washington zu Felde zieht, und zugleich als Versöhner, der die zerstrittenen Parteien zusammenbringt: "Würde ich nicht glauben, den Ton in Washington ändern zu können, würde ich hier nicht antreten."

Bush wirkte oft unbeholfen, mit unsicherer Körpersprache. Er glich dies durch größere Volkstümlichkeit teilweise aus. Zum Thema Gewalt in den Medien meinte er: "Das beste Mittel ist der Ausschalter." Und Gores allzu streberisches "jetzt bin ich dran!" wird in den US-Analysen ebenfalls als Punkt für Bush verbucht. Gores Gesamtsieg entstammt dem Umstand, dass er erstmals in glaubwürdiger Form seine Botschaft verkünden konnte: "Ich habe das letzte Vierteljahrhundert nicht damit verbracht, persönlichen Reichtum zu mehren, sondern für Amerikas Mittelklasse zu kämpfen."

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