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Politik: US-Wahlkrimi: "Das ist mit Geld nicht zu bezahlen"

Im Streit um die Stimmenauszählung bei der amerikanischen Präsidentenwahl hat am Freitag eine mit Spannung erwartete historische Anhörung vor dem Verfassungsgericht begonnen. Die beiden Kandidaten Al Gore und George W.

Im Streit um die Stimmenauszählung bei der amerikanischen Präsidentenwahl hat am Freitag eine mit Spannung erwartete historische Anhörung vor dem Verfassungsgericht begonnen. Die beiden Kandidaten Al Gore und George W. Bush spornten ihre Juristen zu neuen Aktivitäten an und bereiteten sich ungeachtet des Rechtsstreits weiter auf einen Einzug ins Weiße Haus vor. Vor dem Verfassungsgericht in Washington ging es um die Frage, ob die vom Obersten Gerichtshof in Florida zugelassenen manuellen Nachzählungen rechtmäßig sind.

Der Republikaner Bush will die Nachzählungen für ungültig erklären lassen. Die Anwälte des Demokraten Gore beantragten hingegen beim Obersten Gerichtshof von Florida eine sofortige Neuauszählung umstrittener Wahlzettel. Sie wollen auf diese Weise eine Entscheidung eines Bezirksgerichts umgehen, das für Samstag eine Anhörung angesetzt hat. Bei diesem wiederum beantragten die Republikaner am Donnerstagabend, 1,2 Millionen Wahlzettel aus drei weiteren Bezirken zu einer möglichen Neuauszählung nach Tallahassee bringen zu lassen.

Vor dem Gerichtsgebäude in Washington harrten über Nacht zahlreiche Menschen aus, um eine der Einlasskarten zu der Anhörung zu erhalten. "Das ist mit Geld nicht zu bezahlen. Der Gang der Geschichte ist nicht käuflich", sagte der 20-jährige Politik-Student John Fucetola. "Davon werden wir noch unseren Enkeln erzählen."

Die Entscheidung der Verfassungsrichter wird allerdings noch keine Klarheit über den Sieger der Wahl bringen, da Gore in Florida die Wahl angefochten hat und der Fall dort wieder durch die Instanzen geht. Sollte Bush gewinnen, würde sein Vorsprung aber wieder auf 930 Stimmen anwachsen. Nach der erneuten Zählung nach dem 14. November war er auf 537 Stimmen geschrumpft.

Bush lädt Hastert und Lott ein

Bush schickte unterdessen seine Juristen ins Feld, um einer Eingabe der Demokraten an das Verfassungsgericht zu widersprechen. Gores Mannschaft hatte vorgebracht, das mehrheitlich republikanische Parlament in Tallahassee sei vor einem Ende des Rechtsstreits nicht dazu befugt, aus eigenem Entschluss die Wahlmänner des Staates zu ernennen. Nach Bundesrecht müssen die Wahlmänner am 12. Dezember berufen werden, damit sie am 18. Dezember ihre Stimmen für den Präsidenten abgeben können.

Trotz ausstehendem Ergebnis bereiteten sich beide Kandidaten weiter auf eine Amtsübernahme vor und trafen sich mit möglichen Ministern ihrer Regierung. Bush lud den Präsidenten des Repräsentantenhauses, Dennis Hastert, und den Mehrheitsführer im Senat, Trent Lott, für Samstag auf seine Ranch in Texas ein. Am Donnerstag hatte er bereits den früheren Stabschef der Streitkräfte, General Colin Powell, empfangen, der nach Angaben von engen Vertraute Bushs in einer republikanischen Regierung für das Amt des Außenministers vorgesehen ist.

In Washington wollte unterdessen der Bürgerrechtler Jesse Jackson mit Justizministerin Janet Reno zusammentreffen, um das Ministerium zu Ermittlungen über den Verlauf der Wahl in Florida aufzufordern. Er bekräftigte Berichte, dass dort Angehörige von Minderheiten an der Stimmabgabe gehindert worden seien. "Wir brauchen Ermittlungen dringender als Nachzählungen", sagte Jackson.

Krieg der Worte

Nach der Ansicht von Experten wird der Streit um den Ausgang der Präsidentenwahl letztlich von der öffentlichen Meinung entschieden. Aus diesem Grund posieren sowohl Bush als auch Gore vor amerikanischen Flaggen und geben sich in Pressekonferenzen als patriotische Staatsmänner. "Was wir hier sehen, ist ein Kampf um Legitimität", analysiert die Psychologie-Professorin Aubrey Immelman. "Die Kandidaten versuchen, an unsere patriotischen Gefühle zu appellieren, und bedienen sich dazu aller möglichen patriotischen Symbole, die sie finden können." Hier habe Bush einen klaren Vorsprung, glaubt die Psychologie-Professorin Immelman.

Bush traf sich während des "Kriegs der Worte" mit seinen Beratern und potenziellen Mitgliedern seiner Regierung an einem Ort, der durchaus Vergleiche mit dem Oval Office, dem Büro des Präsidenten im Weißen Haus, zuließ. Dies wiederum rief die Demokraten auf den Plan, die kritisierten, Bushs Leute würden versuchen, sich vorzeitig zu Siegern zu krönen, wie es Gores Wahlkampfmanager William Daley ausdrückte. Gore änderte daraufhin seine Strategie und erklärte, auch er suche nun die Mitglieder seines Kabinetts aus.

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