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Politik: V wie Verzweiflung

Von CH. Böhme, M.

Von CH. Böhme, M. Feldenkirchen

und M. Meisner

Es wird eng, das räumt Wolfgang Löwer, der Anwalt des Bundestages im NPD-Verbotsverfahren, unumwunden ein. Bis Ende Juli sollen die Verfahrensbevollmächtigten des Parlaments, der Länder und der Bundesregierung in Karlsruhe ihre Stellungnahme zur Kooperation mit V-Leuten vorlegen. Doch erst „jetzt fangen wir an, erste Bruchstücke vom Schriftsatz zu produzieren“, sagt Löwer. Die Linie scheint klar: Das Verbotsverfahren soll durchgezogen werden. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel plädiert Löwer, Jurist an der Universität Bonn, gegen eine Rücknahme des Antrages. „Genau genommen hat die NPD Anspruch darauf, dass das Verfahren zu Ende geführt wird“, sagt er.

Doch die Zahl der Skeptiker steigt. Die PDS im Bundestag hat das Verbotsverfahren bisher mitgetragen. Doch inzwischen spricht die Vize-Fraktionschefin Petra Pau, nach neuen Informationen über die Zahl der V-Leute, von einer „relativ verfahrenen Situation“. Pau: „Mehr oder weniger sind wir in Geiselhaft der Innenminister.“ In die Katastrophe steuere das Verfahren, fügt sie hinzu – und will innerparteilich diskutieren, ob ein Ausstieg aus dem Verfahren überfällig ist. An der Diskussion um die Stellungnahme für das Verfassungsgericht werden die Parlamentarier, wenigstens die der PDS, schon jetzt kaum noch beteiligt. Löwer beschied Pau in einem Brief, der Bundestag sei „nicht Herr der Informationen, die dem Verfassungsgericht vorgetragen werden können“. Und: Die Abstimmung des Schriftsatzes werde angesichts der zunehmenden Terminenge (…) ohnehin schwierig“.

Die Fraktionen von SPD und Grünen folgen derweil – wenn auch nicht immer begeistert – der Marschroute von Otto Schily: Das Verbotsverfahren ist nicht gefährdet, auch ohne die vom Verfassungsgericht verlangte Aufdeckung der V-Leute. Aus den Reihen der Koalition spricht sich nur Hans-Christian Ströbele gegen ein Weiter-So aus. Wenn die Innenminister von Bund und Ländern den Anforderungen aus Karlsruhe nicht nachkämen, dann könne das Verfahren „in einer Katastrophe enden“, warnt der Grünen-Politiker fast wortgleich mit Pau. Vor allem der Bundestag sei mit seiner Klage in eine „sehr schlechte Situation“ geraten, weil die Bundesregierung über wichtige Informationen verfüge, die der Bundestag nicht bekomme. „Die Informationspolitik der Bundesregierung ist aber leider zum Verzweifeln“, klagt Ströbele.

Bei der Union lautet derzeit das Motto: Zweifel artikulieren bringt nichts. Es gebe eben keine Alternative, als das Verfahren weiterzuführen – trotz aller Bedenken, heißt es aus der Fraktion. Auch die V-Mann-Affäre ändere daran nichts. Den Innen-Experten auf Landes- und Bundesebene ist aber sehr wohl bewusst, dass die Tätigkeit der Spitzel in der NPD die Antragsteller in ein Dilemma bringt. Einerseits müssten die Quellen geschützt werden. Andererseits wird dem Verfassungsgericht das Recht zugebilligt, alles Nötige über den Umfang der Unterwanderung der Partei zu erfahren.

An ein Aus des Verfahrens mag man bei der Union dennoch nicht glauben – und auch Löwer ist optimistisch: „Die Union steigt nicht aus, selbst wenn sich die kritischen Stimmen mehren.“ Wie die Regierungsseite setzen CDU und CSU hoffnungsvoll auf die „anderen“ Beweise. Die reichten für ein Verbot aus. Zumal man eines der NPD nicht gönnt: den propagandistischen Erfolg, sollten sich die Antragsteller aus dem Verfahren zurückziehen.

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