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Politik: Vereintes Europa, getrennte Familien

Berlin und Paris helfen neuerdings, wenn binationale Ehen in die Brüche gehen – denn um die Kinder wird oft erbittert gekämpft

Die europäische Einigung mag sich nach dem Scheitern des Brüsseler Gipfels verzögern, die Vereinigung der Europäer tut es nicht. Die Zahl binationaler EU-Ehen nimmt zu, damit die Zahl der Kinder aus diesen Ehen – und die der Probleme, wenn die Partner sich scheiden lassen. Denn welcher Elternteil Sorge- oder Umgangsrecht erhält, regeln die Staaten der EU unterschiedlich. Die Folge: zerrissene Familien, wie sie jetzt bei einer Konferenz in der französischen Botschaft in Berlin im Mittelpunkt standen. „Europa muss mehr tun, um dieses Problem zu lösen“, sagte Botschafter Claude Martin.

Für den Schauspieler Mathieu Carrière ist die Lösung einfach: Das deutsche System muss sich ändern. Carrière hatte die Konferenz der rund 30 Experten initiiert. Den Kampf gegen die Behörden führt er als Betroffener, seit er sich in einem langen Rechtsstreit das Umgangsrecht für seine Tochter erkämpft hat. „Wir wollen unseren Kindern helfen, ihr eigenes Menschenrecht durchzusetzen“, sagte Carrière. Ein Kind solle beide Eltern um sich haben. Das französische Modell sei vorbildlich, meint Carrière. Französische Gerichte zwängen eine Mutter notfalls mit Beugehaft dazu, dem Vater Kontakt zu seinem Kind zu ermöglichen.

Deutsche Gerichte verweigerten sich hingegen oft, kritisierten Experten. Selten müssten Eltern mit Sanktionen rechnen, wenn sie sich nicht an Abmachungen hielten. Meist seien Väter betroffen, die sich so von ihren Kindern entfremdeten. Ein Familienrichter klagte: „Für die Untätigkeit der deutschen Behörden schäme ich mich manchmal.“

Das französische System sei nicht besser als das deutsche, sagte hingegen der Berliner Familienrichter Michael Grabow. In Deutschland würden etwa Kinder im Alter ab sechs Jahren in den Verhandlungen angehört. „Hier könnten die Franzosen etwas von uns lernen“, sagt Grabow. Deutschland und Frankreich wollen den Eltern den Gang vors Gericht künftig ersparen. Seit neun Monaten ist ein Team im Einsatz, das Konflikte in binationalen Ehen schlichten soll. „Wir haben sehr positive Erfahrungen mit dem Einsatz professioneller Mediatoren gemacht“, sagte Eberhard Carl, der das Projekt für die deutsche Bundesregierung betreut.

Ab Mai 2005 wird sich die Situation für viele Eltern in der EU verbessern. Dann werden die EU-Staaten nämlich die Rechtsprechung von Gerichten anerkennen, die am Aufenthaltsort des Kindes entschieden haben. Dessen Nationalität spielt dann keine Rolle mehr. Die Flucht ins EU-Ausland wird dann nicht mehr helfen.

Andre Tauber

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