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Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln.

© dpa

60 Jahre BfV: Verfassungsschutz: Schlapphüte mit Pressestelle

Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird 60 Jahre alt – und ist auf dem Weg, ein offener Geheimdienst zu werden. Die Inhalte haben sich verändert, manchmal in kräftigen Schüben. So wie die Gegner und Feindbilder.

Von Frank Jansen

Berlin - Der Anblick ist nicht gerade anheimelnd. Eine Betonburg im Kölner Stadtbezirk Chorweiler, weiträumig eingezäunt, in der Umgebung Hochhäuser aus den siebziger Jahren – es gibt schönere Arbeitsplätze. Könnte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) heute wieder eine Zentrale bauen, so wie der Bundesnachrichtendienst jetzt in Berlin, sie sähe sicherlich anders aus. Offener, halbwegs zugänglich. Der Nachrichtendienst, der jetzt 60 Jahre alt wird, gibt heute kaum noch Anlass, als Behörde von Schlapphüten bespöttelt zu werden.

Am 27. September 1950 verkündete das Bundesgesetzblatt die Gründung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Die Regierung des ersten Kanzlers der Republik, Konrad Adenauer (CDU), benötigte ein Instrument zur Abwehr von Altnazis, die sich wieder formierten, und der von DDR und Sowjetunion gesteuerten kommunistischen Umtriebe. Es entstand die erste länderübergreifende Sicherheitsbehörde der Bundesrepublik, gekoppelt mit den nach und nach aufgebauten Landesbehörden für Verfassungsschutz. Die Zusammenarbeit folgt auch heute noch demselben Prinzip wie damals: Das BfV koordiniert und kooperiert, aber es kommandiert nicht, da sei der Föderalismus vor. Doch die Inhalte haben sich verändert, manchmal in kräftigen Schüben. So wie die Gegner und Feindbilder.

Die Konfrontation mit dem islamistischen Terror ist seit den Anschlägen vom 11. September 2001 die größte Herausforderung für den Verfassungsschutz. In Bund und Ländern wurden die entsprechenden Abteilungen personell und materiell ausgebaut. Noch im Frühjahr 2001 hatte für den Verfassungsschutz die Beobachtung der vor allem im Osten um sich schlagenden rechten Szene Priorität. Allerdings ließen sich viele Nachrichtendienstler nur ungern auf das Abenteuer des NPD-Verbotsverfahrens ein. Die Chancen galten angesichts des vorliegenden Materials zur Partei als mäßig. Außerdem missfiel Verfassungsschützern die Debatte über ihre V-Leute. Im Jahr 2003 stellte das Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren ein.

Die Beobachtung rechtsextremer Umtriebe bleibt jedoch eine Kernaufgabe des BfV, auch der Blick auf den Linksextremismus hat angesichts der Zunahme einschlägiger Szene-Straftaten wieder an Bedeutung gewonnen. Er ist aber kaum vergleichbar mit der Zeit vor 1990, als die Spionage der Stasi, die Umtriebe der vielen kommunistischen Organisationen und der Terror der Roten Armee Fraktion und weiterer Gruppierungen die zentralen Arbeitsfelder der Verfassungsschützer waren. Das ist Vergangenheit, auch wenn im Fall der Ex-RAF-Terroristin Verena Becker, die jetzt wieder vor Gericht kommt, Fragen nach der Rolle des Verfassungsschutzes offen bleiben.

Das BfV, geleitet vom leisen, aber hartnäckigen und innovativen Präsidenten Heinz Fromm, und die Länderbehörden sind zunehmend mit der Wirtschaftsspionage in Deutschland beschäftigt, vor allem mit der durch Russland und China. Ein weiteres großes Thema ist das Internet, das Extremisten jeder Couleur mit viel technischem Know-how nutzen.

Um für alte wie neue Gefahren zu sensibilisieren, hat sich der Verfassungsschutz geöffnet. Mitarbeiter aus der Betonburg in Köln-Chorweiler und den Landesbehörden schwärmen aus, um Kommunalpolitiker, Lehrer und andere Multiplikatoren über Risiken in ihrer Region oder ihrem Arbeitsumfeld aufzuklären. Das wäre vor 60 Jahren, als ein Geheimdienst vor allem verschwiegen zu sein hatte, kaum denkbar gewesen.

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