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Politik: Verhandeln gegen den nächsten Krieg

Regierung und Tamilen-Rebellen in Sri Lanka reden wieder miteinander – Norwegen vermittelt

Der norwegische Außenminister Jonas Gahr Störe ist optimistisch, dass ein neuer Bürgerkrieg in Sri Lanka doch noch verhindert werden kann. Am Mittwoch war es dem norwegischen Entwicklungsminister Erik Solheim, der seit Jahren im Friedensprozess auf Sri Lanka vermittelt, gelungen die Regierung und die tamilische Rebellenorganisation LTTE dazu zu überreden, nach drei Jahren Pause ihre Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen. Das Treffen soll im Februar in Genf stattfinden.

„Die Lage ist sehr kompliziert“, sagte Störe dem Tagesspiegel. Ein Jahr nach dem Tsunami fließt die internationale Hilfe zum Teil noch immer deshalb nicht, weil sich die Regierung und die Tamilen-Tiger im Norden der Insel nicht auf eine Zusammenarbeit haben einigen können. Störe sagte: „Die Alternative wäre so viel schlimmer. Beide Seiten wissen, dass sie gemeinsam eine Zukunft bauen müssen.“ Die Einigung auf neue Gespräche sei mehr, als vor kurzem noch hätte erwartet werden können, meinte Störe.

Tatsächlich sah es bis vor wenigen Tagen eher so aus, als stünde der nächste Bürgerkrieg unmittelbar bevor. Vor allem die Tamilen-Rebellen der LTTE schienen seit Wochen auf eine blutige Eskalation des Konflikts hinzuarbeiten. Immer dreister verletzten sie die vor bald vier Jahren vereinbarte Waffenruhe. Allein im Dezember wurden fast 60 Soldaten bei Minenattacken und Anschlägen getötet. Vor kurzem jagte ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter ein Schnellboot der Marine in die Luft. 13 Seeleute starben. Zwar bestreitet die LTTE die Taten. Doch selbst die norwegischen Vermittler haben den Eindruck, dass sie auf das Konto der Tiger gingen.

Westliche Diplomaten glauben, dass die LTTE Racheakte oder sogar einen Erstschlag der Armee provozieren wollte. Tatsächlich reagierte das Militär mit wachsender Härte. Bei Razzien wurden hunderte Tamilen festgenommen, ihre Häuser durchsucht und angeblich auch Zivilisten misshandelt. Die Gewaltspirale erreichte eine neue Qualität, als am Strand von Trincomalee im Nordosten der Insel fünf tamilische Studenten mit Kopfschüssen getötet wurden. Ob sie für die LTTE arbeiteten, ist unklar. Armeeleute werden der Tat beschuldigt. Die Regierung hat eine Untersuchung angeordnet.

Bei den Menschen in den Unruhegebieten wächst die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg. Nach Angaben der Rebellen sind im Norden bereits hunderte Familien aus ihren Häusern geflohen, um Zuflucht in den LTTE-Gebieten zu suchen. Die wachsende Gewalt gefährdet auch die Hilfe für die Flutopfer. Erste Hilfsorganisationen haben Mitarbeiter aus Gefahrenregionen abgezogen. Am Donnerstag berichtete die Caritas über Einschränkungen der Arbeit im Norden der Insel. Auch die Aktion „Deutschland hilft“, ein Zusammenschluss mehrerer Hilfsorganisationen, ist besorgt. „Wir sind noch nicht an dem Punkt, wo wir dichtmachen müssen. Aber die Arbeit ist wegen der Sicherheitslage zum Teil stark eingeschränkt“, sagte Pressesprecher Christoph Ernesti.

Bereits bei den Präsidentenwahlen im November hatte sich abgezeichnet, dass die LTTE-Führung unter Guerillachef Prabhakaran nicht an ernsthaften Friedensgesprächen interessiert ist. Mit einem erzwungenen Wahlboykott hielt die LTTE hunderttausende Tamilen vom Wählen ab – und verhinderte so den Sieg des moderaten Oppositionsführers Ranil Wickremesinghe, der vor allem bei Tamilen Rückhalt hatte. Stattdessen gewann mit hauchdünnem Vorsprung der singhalesische Populist Rajapakse. Dabei wollte Wickremesinghe den Rebellen weit entgegenkommen. Während Rajapakse am Einheitsstaat festhält, liebäugelte Wickremesinghe mit einer föderalen Lösung für die Tamilengebiete im Norden und Osten. Die LTTE-Spitze fürchtete offenbar, dass sie bei einer Wahl Wickremesinghes international unter Zugzwang geraten würde.

Doch der singhalesische Hardliner Rajapakse vermied nach seinem Amtsantritt scharfe Töne. Vielmehr bot er den Rebellen umgehend neue Friedensgespräche an, um die brüchige Waffenruhe noch zu retten. Optimisten hoffen, dass die LTTE mit der jüngsten Gewaltserie vor allem ihre Verhandlungsposition bei den nun vereinbarten Verhandlungen in Genf stärken will. Andere fürchten dagegen, dass Prabhakaran schlicht keinen Frieden will – weil Frieden seine Macht gefährden würde.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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