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Politik: Verkehrsberuhigte Zone

STOLPE UND SEIN AMT

Von StephanAndreas Casdorff

Vierdreiviertel Jahre regiert RotGrün. Aber wer weiß schon, wie viele Verkehrsminister Rot-Grün in dieser Zeit hatte? Vier. Man hat Mühe, alle Namen zusammenzubekommen. Müntefering, Klimmt, Bodewig, Stolpe. Sagen wir so: Es gibt einen starken Durchgangsverkehr in diesem Ressort. Pro Jahr ein Chef, gewissermaßen. Ist das Ministerium so unwichtig, die Aufgabe so schwer, oder wird sie ungebührlich vernachlässigt?

Im Moment regiert gerade Manfred Stolpe das Mammutressort für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Er übernahm das Amt, weil es ein Ostdeutscher übernehmen sollte und Wolfgang Tiefensee aus Leipzig abgesagt hatte. Es sollte ein junger Minister werden, einer mit Perspektive. Es wurde Stolpe, 66 Jahre alt. Ein Mann mit großer Regierungserfahrung als langjähriger Ministerpräsident in Brandenburg. Wenn also der reaktiviert wird – dann muss das Ministerium doch wichtig sein.

Ist es auch. Kein Ministerium ist von der Aufgabenbeschreibung und vom Etat her gesehen – mehr als 26 Milliarden Euro – bedeutsamer für die Infrastruktur des ganzen Landes, für Investitionen, den Aufschwung, das Gesicht der Städte und damit auch für die Stimmung der Gesellschaft von West bis Ost. Man kann sagen: So sieht ein Querschnittsministerium aus. Man könnte auch sagen: Hier regiert ein kleiner Bundeskanzler. Nur nimmt nicht einmal der Kanzler dieses Ministerium so wichtig, dass er genau hinschaut, wie sein Minister regiert.

Gerhard Schröder scheint zu reichen, dass der gegenwärtige Ressortchef öffentlich eine gute Figur macht. Dass er mit seiner sonoren, begütigenden, beruhigenden Stimme den Ton des Ostens trifft. Dass er wie früher in Brandenburg zusammenmoderiert, was irgendwie zusammenkommen muss, damit es keinen inhaltlichen Krach gibt. „Du, ich brauche Deinen Rat …“ – Führung durch Verführung. Wer fühlte sich da nicht geschmeichelt, gebraucht, ernst genommen? Über Stolpe reden sogar Öko-Verkehrsexperten nicht richtig schlecht. Und beliebt ist er, der beliebteste Politiker in Ostdeutschland. Superminister Stolpe – Schröders Bundeskanzler Ost.

Aber von jetzt an wird ihn das Desaster bei der Lkw-Maut verfolgen. Als viele ihm sagten, dass das mit der EU und den Betreibern des Systems so nicht laufen werde, schien er das nicht zu hören. Als alle schon sagten, dass der Starttermin nicht mehr zu halten sei, blieb er noch beim 1. August. Und fuhr in Urlaub, als er auf den November verschoben werden musste. Dabei schlagen auch in seiner Fraktion, der sozialdemokratischen, Experten die Hände über dem Kopf zusammen wegen der Einnahmeausfälle von mehreren hundert Millionen Euro. Es können noch mehr werden, wenn die Maut am 1. November nicht kommen sollte: insgesamt eine halbe Milliarde Euro. Es gab Zeiten in der Bundesrepublik, da hätte das zur Demission gereicht. Sind die Zeiten heute besser?

Stolpe hat eine schwierige Aufgabe übernommen. Den Aufschwung aufzubauen, das versucht sein Ministerium vor allem übers Bauen. Nicht zuletzt von Straßen. Nur berichten Experten, dass zum Beispiel bei zehn älteren Projekten unter dem Titel „Bauen jetzt“ – für neue Fahrstreifen auf Bundesautobahnen in privater und öffentlicher Partnerschaft – in neun Fällen die vorher notwendigen Planfeststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen seien. Das heißt: Gebaut werden kann in vielleicht drei Jahren. Ob Stolpe dann noch regiert?

Keiner zeigt mit dem Finger auf ihn. Wie seinerzeit in Brandenburg, wo eine ganze Reihe von großen Projekten zum Desaster wurde: der Cargolifter, die Lausitzrennstrecke, der Großflughafen, die Chipfabrik. Es waren die anderen, Stolpe war es nicht. Keine Kritik blieb an ihm haften. Keiner schien ihm etwas übel zu nehmen, die Gegenwart nicht und die Stasi-Geschichte auch nicht. Stolpe, der Teflon-Mann.

Ob er eine Vision hat, eine Strategie, Gestaltungskraft, ist nicht erwiesen. Nicht nach elfeinhalb Jahren in Brandenburg, nicht nach einem guten Dreivierteljahr im Verkehrsressort. Er ist Minister, weil der Kanzler ihn braucht. Als Hoffnungsträger. Und als Bundeskanzler Ost. Das ist kein Amt, aus dem man herausgewählt werden kann. Da kann man nur von selber gehen, wenn es an der Zeit ist.

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