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Merkel

© AFP

China: Verschnupft und verunsichert

Warum Peking fürchtet, dass der Dalai Lama zum Verhandlungspartner des Westens wird.

Chinas Führer lassen derzeit keine Gelegenheit aus, um den Deutschen ihre Unzufriedenheit kundzutun. Mehrere deutsche Politiker wurden von Peking ausgeladen, diplomatische Konsultationen eingefroren und selbst beim traditionellen Empfang in der deutschen Botschaft Anfang Oktober zum Tag der Einheit blieb manch ein Pekinger Regierungsvertreter dem Fest fern.

China reagiert damit auf das Treffen zwischen dem Dalai Lama und Bundeskanzlerin Angela Merkel im September in Berlin, das aus Pekings Sicht ein Tabubruch war. Als erste deutsche Regierungschefin hatte Merkel den Friedensnobelpreisträger und das Oberhaupt der Tibeter offiziell im Kanzleramt empfangen. Pekings KP-Führer, die Tibet, das 1951 von China besetzt wurde, als „untrennbaren Teil des chinesischen Mutterlandes“ und den Dalai Lama als „Separatisten“ sehen, versuchen Berlin unter Druck setzten. Die Staatsmedien attackieren Merkel als „diplomatisch unreif“ und warnen vor einem „Gefrierpunkt“ in den Beziehungen.

Chinas Reaktion ist jedoch kein Zeichen der neuen Stärke einer aufsteigenden Großmacht. Im Gegenteil: Hinter Pekings wütender Schmolldiplomatie versteckt sich Unsicherheit. Je stärker China wirtschaftlich und politisch in die Welt eingebunden wird, desto größer wird der Druck von außen, auch in Fragen der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit globale Normen einzuhalten. Im Vorfeld der Olympischen Spiele im kommenden Jahr spüren Pekings KP-Führer diesen Druck besonders stark.

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, Kanada und in Österreich wurde in den vergangenen Wochen der Dalai Lama offiziell von den Regierungschefs empfangen. In Washington nahm er die wichtigste Auszeichnung des Kongresses entgegen. Dagegen durfte der Dalai Lama am Wochenende nur nach Japan reisen, nachdem er zugesagt hatte, sich nicht politisch zu betätigen. In Tokio wurde er nicht von der Regierung empfangen. Dennoch fürchtet Peking, dass diese schleichende politische Aufwertung des Dalai Lama es eines Tages zu Verhandlungen mit den Exiltibetern zwingen könnte.

Dass westliche Regierungen heute eher eine Konfrontation mit Peking riskieren, liegt auch im veränderten Handel. Jahrelang profitierte vor allem Deutschland von dem wachsenden Warenaustausch mit der Volksrepublik. Maschinen, Autos, Infrastruktur – deutsche Firmen exportierten weit mehr nach China als umgekehrt. Um diesen florierenden Handel nicht zu gefährden, versuchte die deutsche Politik Pekings Führer möglichst wenig zu provozieren. Themen wie Tibet, Taiwan oder Tiananmen (wo 1989 eine studentische Demokratiebewegung vom Militär zusammengeschossen wurde) waren unter den Kanzlern Kohl und Schröder tabu. Schröder sieht das offenbar bis heute so. Denn er kritisierte Merkel bei einem Besuch in China öffentlich dafür, dass sie den Dalai Lama empfangen hatte.

Mittlerweile haben sich die Handelsvorteile jedoch zu Gunsten Pekings verschoben. China exportiert heute mehr nach Deutschland als umgekehrt. Vergangenes Jahr betrug der Handelsüberschuss rund 2,5 Milliarden US-Dollar. Das hat politische Folgen: Ein funktionierender Handel ist heute für Peking mindestens ebenso wichtig wie für Berlin. Selbst wenn Peking als Reaktion auf den Dalai-Lama-Streit deutschen Firmen eine Zeit lang weniger Aufträge erteilen sollte, wofür es bislang keine Anzeichen gibt, an den grundsätzlichen Wirtschaftsbeziehungen würde dies kaum etwas ändern. „Man darf nicht vergessen, dass die Chinesen auch auf das deutsche Know How angewiesen sind“, sagte ein deutscher Diplomat in Schanghai. Auch China wolle die wirtschaftlichen Beziehungen nicht beschädigen.

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