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Guttenberg

© Doris Spiekermann-Klaas

Verteidigungsminister Guttenberg: "Eine Regierung darf nicht nur Salz in Wunden streuen"

Verteidigungsminister Guttenberg (CSU) über den Streit in der Koalition, die neue Afghanistan-Strategie und den Sinn eines verkürzten Wehrdienstes

Sie haben gerade die Schirmherrschaft über „Fair Play“ übernommen …



Ich hoffe, dass das abstrahlt!

Wollen Sie nicht auch mal der Koalition was über Fair Play beibringen?

Da haben andere den Schirmherrenposten!

Aber Sie als Mitglied des Kabinetts leiden doch auch unter dem Zerfall des Ansehens dieser Regierung!

Bei den Menschen ist das Verständnis begrenzt, wenn Diskussionen – die durchaus notwendig sind – im Wesentlichen öffentlich ausgetragen werden.

Wie zum Beispiel in der CSU?

Das gilt auch für Debatten innerhalb einer Partei. Solche Debatten können geboten sein. Aber man sollte sie nicht ausschließlich über die Medien führen. Außerdem darf man durchaus am Tonfall basteln.

Im Klartext: Haben Sie Verständnis dafür, dass die Landesgruppe und der CSU-Landesgruppenchef Friedrich sich „Störfeuer“ aus München verbeten haben?

Ich habe für die Berliner Sicht grundsätzlich Verständnis. Ich habe auch Verständnis für Positionen, die aus Ländern her kommen. Aber wenn man sich den Anspruch der bundes- und europa- und außenpolitischen Wirksamkeit insgesamt bewahren will, sollte man den jeweiligen Plattformen auch den Raum geben, sich politisch artikulieren zu können.

Sie waren im alten, sind jetzt im neuen Kabinett – spürt man den Unterschied?

Ich gehörte dem alten Kabinett bekanntlich nur kurz und zu einer Zeit an, die sehr vom Wahlkampf geprägt war. Da bot die Stimmung auch nicht immer nur Anlass zum Jubel. Es ist schon nötig, dass man die Freude am Regieren in den Vordergrund stellt und das Regieren zu Lösungen für die Menschen führt.

Derzeit scheint die Lust am Streit bei Weitem größer zu sein.

Es ist wichtig, Fragen zu stellen. Aber es darf nicht dabei bleiben, dass man Fragen laut dröhnend im Raum stehen lässt. Ebenso ist es sicherlich vonnöten, dass man hier und da auch mal Finger in eine Wunde legt. Aber eine Regierung muss Abhilfe schaffen, muss Wunden schließen und nicht nur Salz hineinstreuen.

Dann können Sie ja anfangen. Sie müssen bis Jahresende einen Kurzwehrdienst von sechs Monaten ausarbeiten. Wie sollen wir uns das vorstellen?

Möglichst effektiv, möglichst reizvoll für den, der diesen Wehrdienst antreten wird. Für den Wehrpflichtigen wird der Wehrdienst eine intensivere Zeit des Lernens, die zugleich die Möglichkeit eröffnet, in der Bundeswehr einen attraktiven Arbeitgeber zu erkennen. Wir müssen gleichzeitig den Zivildienst so gestalten, dass den berechtigten Ansprüchen der Zivildienstorganisationen Genüge getan wird. Wir wollen einen Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause vorlegen.

Das sind sehr abstrakte Ziele ...

Ich habe die Debatte bewusst geöffnet und auch die Fraktionen gebeten, Impulse einzubringen. Mir ist wichtig, dass eine Diskussion mit allen Argumenten stattfindet. Da sollen auch vermeintliche Tabus mal durchdacht werden.

Ein Beispiel?

Nehmen wir die Grundausbildung. Es gibt da eine Schule, die es für nötig hält, bei drei Monaten Grundausbildung zu bleiben. Andere sagen, dass zumindest in Teilbereichen auch zwei Monate reichen. Mancher andere Vorschlag ist offenkundiger Unsinn. Aber selbst der verdient es, mit Gegenargumenten ausgeräumt und nicht mit einer Handbewegung vom Tisch gefegt zu werden.

Die FDP will die Wehrpflicht abschaffen. Erschwert das die Debatte nicht sehr?

Der Koalitionsvertrag ist nicht als Einstieg in den Ausstieg zu lesen. Ich sehe auch bei den Fachpolitikern der Koalition keinen gegenteiligen Willen.

Wir fragen ja bloß, weil es Mode geworden ist, den Koalitionsvertrag unterschiedlich zu interpretieren.

Die Bundeswehr ist bekanntlich der Mode nur sehr bedingt unterworfen.

Aber gibt es denn irgendeine sachliche Begründung für diese Verkürzung?

Wir haben eine Festlegung im Koalitionsvertrag. Die gilt es umzusetzen. Unabhängig davon halte ich es für sehr gut möglich, einen vernünftigen Wehrdienst für sechs Monate zu konzipieren. Eine zeitlich verdichtete Wehrpflicht passt dann am Ende auch besser in die Lebensplanung junger Erwachsener, die danach ein Studium aufnehmen, eine Ausbildung beginnen oder ins Arbeitsleben zurückkehren wollen. Das ist doch auch ein beachtlicher Grund.

Ganz neu, heißt es, ist auch der Ansatz in der Afghanistan-Politik. Was macht denn nun diesen Strategiewechsel aus?

Die Schwerpunktverlagerung hin zum Schutz der Bevölkerung und zur Befähigung der afghanischen Kräfte, die Sicherheit selbst herzustellen.

Was soll daran neu sein?

Dieser Ansatz ist vor ein paar Jahren schon einmal in Teilen formuliert worden. Aber es hat an der Umsetzung gehapert. Und es war notwendig, dass wir uns von Illusionen darüber verabschieden, was man in Afghanistan erreichen kann. 2001 war der zentrale Punkt der Kampf gegen Terrorismus. So war das Mandat strukturiert. In den Folgejahren wurden immer neue Gründe genannt, man kann auch sagen: nachgeschoben. Zugleich war die Militärstrategie auf einen Sieg in dem ausgerichtet, was viele umgangssprachlich als „Krieg“ bezeichnen. Das hat zu fatalen Fehlern mit zivilen Opfern geführt, aber nicht zum Erfolg bei der Aufstandsbekämpfung.

In Kundus reicht der Arm der Bundeswehr kaum über das Feldlager hinaus.

Es stimmt, auch dort hat sich der Ring immer enger geschlossen, und man hat oft das Lager nur noch zu Patrouillen verlassen. Das neue Konzept sagt: Wir müssen sehr viel präsenter in einem begrenzten Raum sein, dort Schutz bieten und zugleich die Afghanen ausbilden, an die wir diesen Raum dann übergeben. Von dort geht es weiter zum nächsten Raum.

Der deutsche Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans erstreckt sich über 160 000 Quadratkilometer – da sollen 500 Soldaten mehr es jetzt richten?

Wenn man glaubt, einen allein militärischen Sieg erringen zu können, wird man das mit dem gewählten Kräfteansatz kaum schaffen. Aber es geht ja nicht darum, dass hinter jedem Baum ein Soldat der internationalen Gemeinschaft steht. Das wäre schon deshalb falsch, weil in Afghanistan einer derartigen Übermacht ausländischen Engagements grundsätzlich nicht euphorisch begegnet würde. Deshalb machen wir deutlich, dass wir bereit sind, uns wieder zurückzuziehen, sobald afghanische Kräfte die Sicherheit der Menschen gewährleisten können.

Bedeutet nicht mehr Einsatz in der Fläche mehr Gefahr für unsere Soldaten?

Wer in Afghanistan im Einsatz ist, ist Gefährdungen für Leib und Leben ausgesetzt. Das war so und das bleibt auch so. Wir sollten uns davor hüten, diese Gefahren in Kategorien einzuteilen. Der bisherige Ansatz mit Patrouillen hat dazu geführt, dass Aufständische sozusagen an der Uhr ablesen konnten, wann und wo sie eine Patrouille angreifen konnten. Auch der neue Ansatz setzt voraus, dass man verteidigungsfähig sein muss. Unsere Soldaten müssen von ihrer Waffe Gebrauch machen können. Das ist allerdings in der Vergangenheit von einigen nur schüchtern kommuniziert worden.

Alle reden von Abzugsperspektive. Kann die Bundeswehr nach vier, fünf Jahren komplett abrücken – oder muss sie nicht wie auf dem Balkan noch sehr lange eine reduzierte Präsenz zeigen?

Es geht um einen Prozess. Wichtig ist, dass der Beginn dieses Prozesses nicht ständig hinausgeschoben wird. Für den weiteren Verlauf müssen wir realistische Zielmarken setzen. Im zivilen Bereich wird Afghanistan noch auf Jahre hinaus auf internationale Hilfe angewiesen sein.

Und militärisch?

Wir brauchen einen signifikanten Erfolg bei den Bemühungen, die Sicherheit in afghanische Hände zu legen. Ob man später einmal eine ganz andere Struktur der militärischen Begleitung und Ausbildung braucht, darüber ist noch viel zu wenig nachgedacht worden. In diese Verantwortung könnten verstärkt Nachbarstaaten eingebunden werden. Die Allheilkraft der Nato hat Grenzen.

Sie werden im April im Kundus-Ausschuss des Bundestages vernommen. Alle wollen wissen, wieso Sie das Bombardement vom 4. September je „militärisch angemessen“ nennen konnten. Wir wüssten gerne umgekehrt: Wieso hat der Oberst Klein unangemessen gehandelt?

Diese Diskussion werden wir im Respekt vor dem Ausschuss im Ausschuss führen. Aber ich kann soviel sagen: Zur Beurteilung der Angemessenheit nach einer Woche im Amte habe ich mich neben meiner eigenen auch auf eine Einschätzung des Hauses gestützt, die keine Zweifel gelassen hat. Bei mir hat sich mit Bekanntwerden zusätzlicher Berichte dann eine andere Sicht ergeben. Ich habe meine Fehleinschätzung korrigiert. Eine Fehleinschätzung muss man nicht weiter kommentieren. Diese neue objektive Einschätzung ändert nichts daran, dass ich die subjektive Einschätzung des Obersten Klein für nachvollziehbar halte.

Haben Sie denn eine Vorstellung, warum Ihr Haus anfänglich zu der Einschätzung „militärisch angemessen“ kam?

Dazu werden sich die Beteiligten sicherlich im Rahmen des Ausschusses ausführlich äußern. Dem will ich hier nicht vorgreifen.

Das Gespräch führten Robert Birnbaum und Michael Schmidt.

ZUR PERSON

HERKUNFT

Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg ist aus gutem Hause: Der 38-Jährige entstammt fränkischem Adelsgeschlecht. Seine Eltern sind der Dirigent Enoch zu Guttenberg und Gräfin Christiane von und zu Eltz, die seit 1985 in zweiter Ehe mit Adolf von Ribbentrop verheiratet ist, einem Sohn von Hitlers Außenminister.

WERDEGANG

Nach dem Abitur leistete Guttenberg seinen Grundwehrdienst im Gebirgsjägerbataillon 233 in Mittenwald. Anschließend studierte er Rechts- und Politikwissenschaften und promovierte 2007 mit summa cum laude. Seit 1994 bereits kümmert er sich um die Verwaltung des familiären Vermögens.

POLITISCHE KARRIERE

Guttenberg hat binnen kürzester Zeit eine steile Karriere gemacht: Von November 2008 bis Februar 2009 war er Generalsekretär der CSU; vom 10. Februar 2009 bis zum 28. Oktober 2009 Bundesminister für Wirtschaft und Technologie – und seit dem 28. Oktober 2009 ist er Verteidigungsminister.

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