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Vertreibungen: Polnischer Premier will Weltkriegsmuseum statt Vertriebenenzentrum

Wie wird angemessen an das Schicksal der Vetriebenen aus den früheren deutschen Ostgebieten erinnert? Der Bund der Vertriebenen möchte ein eigenes Dokumentationszentrum. Der neue polnische Regierungschef Donald Tusk hat jetzt einen anderen Vorschlag.

Tusk plädiert dafür, in Danzig ein großes Museum des Zweiten Weltkriegs zu errichten. Darin könnten die Vertreibungen im größeren Zusammenhang dargestellt werden, sagte Tusk der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". An dem Projekt könnten sich alle interessierten Seiten beteiligen, auch Russland und Israel. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt Tusk am Dienstag in Berlin.

Tusk sagte über seinen Vorschlag: "In einem solchen großen Museum des Zweiten Weltkriegs würde das Schicksal der Zwangsumsiedler seinen Platz in dem entscheidenden und umfassenden Kontext finden." Standort eines solchen Museums könne Danzig sein, wo mit dem Angriff auf die polnische Festung Westerplatte der Zweite Weltkrieg begann.

Trotz des Regierungswechsels in Polen seien viele Differenzen zwischen Warschau und Berlin nach wie vor nicht beigelegt, sagte Tusk. Doch komme es auch auf den Ton an, in dem sie vorgetragen würden. Er wolle die Differenzen nicht "aus den Schützengräben der Geschichte" heraus betrachten.

Schwan kritisiert Steinbach

Die Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Gesine Schwan, kritisierte in der Debatte über das Dokumentationszentrum gegen Vertreibungen Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach. Sie habe "es immer wieder versäumt, den Nationalsozialismus als die Ursache für die Vertreibungen zu benennen", sagte Schwan der "Berliner Zeitung". "Für sie bildet der Nationalsozialismus nur den Anlass, der Wille zur Vertreibung habe aber angeblich ohnedies bestanden. Das ist für Polen und auch für mich eine völlig inakzeptable Position."

Die Polen-Beauftragte wandte sich auch gegen Warnungen vor dem endgültigen Wegfall der Grenzkontrollen am 21. Dezember. Man kränke "die Polen, indem man ihnen unterstellt, dass sie Deutschland als Diebe heimsuchen werden oder aber nicht genug gegen den Einfall von Kriminellen aus noch weiter östlich gelegenen Ländern tun".

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekräftigte die Absicht zur Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen. Es werde "an einem konkreten Programm zur besseren Zusammenarbeit der Regierungen" gearbeitet, sagte er der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza". "Die deutschen und polnischen Minister werden sich jetzt wieder oft und regelmäßig begegnen." Zudem sollten die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen "so schnell wie möglich" neu gestartet werden.

Streitthema Ostsee-Pipeline

Trotz der guten Absichten beider Seiten wollte Steinmeier einige umstrittene Themen zwischen beiden Staaten "nicht ausblenden". Zu diesen Themen gehörten etwa die geplante Ostsee-Pipeline oder auch die Eigentumsansprüche der Vertriebenen. Über diese Fragen solle "offen und konstruktiv" gesprochen werden.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz (CDU), sprach sich für eine Erhöhung der Mittel des Deutsch-Polnischen Jugendwerks aus. Der "Märkischen Oderzeitung" sagte er, etwa doppelt so viele junge Menschen aus beiden Ländern wollten an Begegnungen teilnehmen als das zur Zeit möglich sei. "Die Erhöhung der Mittel wäre ein Signal in beide Gesellschaften hinein für einen Neuanfang und für gegenseitiges Vertrauen." (svo/dpa)

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